Berlinale: Intim

»Yin ru chen yan« (Return to Dust, 2022). © Hucheng No.7 Films Ltd.

Corona bestimmt die Berlinale. Impfungen, tägliche Tests und Masken in allen Vorstellungen. Man gibt sich redliche Mühe einen internationalen Hotspot zu vermeiden und ist damit, zumindest was das Sicherheitsgefühl angeht, erfolgreich. Aber auch inhaltlich macht sich Corona bemerkbar. Man sieht den Filmen an, in welcher Zeit sie entstanden sind, selbst wenn die Infektionsgefahr selbst nur einmal, in Rithy Panhs animierter Dystopie »Everything will be ok«, gezeigt wird. Wenn die Tierwelt die Menschheit unterwirft, muss sie selbstverständlich Masken tragen.

Doch auch bei vielen anderen Filmen spürt man die Pandemie. Durchweg tragen kleine Ensembles die Handlung, es gibt wenige zufällige Begegnungen, Intimität entsteht zwischen Paaren, maximal drei Personen. Es überwiegt das Kammerspiel, die Handlungen spielen maßgeblich in Innenräumen. Das zieht eine andere Erzählweise nach sich. Es sind vor allem Liebes- und Beziehungsgeschichten. Und dabei herrscht eine gewisse Intensität vor. Selten werden Beziehungsfragen gesellschaftlich ausgeweitet, dafür gibt es einen Tiefgang, der den Filmen gut tut. Dies ist die erotischste Berlinale seit langem. Selbst der herausragende Film »Un Ano, una Noche« von Isaki Lacuesta, der den Anschlag auf das Bataclan in Paris thematisiert und ohne gewisse Massenszenen nicht auskommt, konzentriert sich auf eine junge Liebesbeziehung, an der er Traumata, Flucht und Bewältigung abarbeiten kann.

Dazu gibt es in vielen der Wettbewerbsfilme eine deutliche Stadtflucht. Auf dem Land lässt sich in Zeiten der Pandemie freier inszenieren. Und auch hier ist man konzentrierter, weniger abgelenkt. In dem beeindruckenden Film »Return to Dust« von dem Chinesen Li Ruijun beispielsweise, kommen ein Außenseiter und eine behinderte Frau zusammen, fristen ihr Leben, bauen ein Haus, das zum Ende wieder eingerissen wird. In der scheinbaren Banalität aber steckt die tiefe Wahrheit ihres Schicksals. So ist die Pandemie zwar spürbar, aber kein erzählerischer Nachteil. Man hat sich vielfach darauf besonnen, was das Kino am besten kann: dem Leben bei der Arbeit zuzuschauen.

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