Iran, die Zweite: »There is no Evil«

»There Is No Evil« (2020). © Cosmopol Film

An diesen Film hatte ich höchste Erwartungen. Der Vorgängerfilm des iranischen Regisseurs Mohammad Rasoulof, »A Man of Integrity«, hatte 2017 beim Festival von Cannes Premiere, der Regisseur war anwesend. Doch zur deutschen Premiere beim Filmfest in Hamburg (wo er und seine Familie zeitweise lebten) wurde ihm fünf Monate später die Ausreise verweigert. Erfreulicherweise kam der Film im vergangenen Jahr dann doch noch in die deutschen Kinos. Aber würde es Rasoulof, wie seinem Kollegen und Freund Jafar Panahi, erneut gelingen, einen Film im Iran zu realisieren? Trotz des über ihn verhängten Arbeitsverbotes und der Androhung, ins Gefängnis zu müssen? Er hat es geschafft, das Resultat lief jetzt im Berlinale-Wettbewerb. Er selber durfte allerdings, das war zu erwarten gewesen, nicht anreisen.

Die Kontrolle ist glücklicherweise nicht perfekt im Iran, Filme, die nicht in den Kinos laufen dürfen, werden gestreamt oder teilweise auch immer noch als raubkopierte DVDs auf Straßenmärkten oder anderswo verkauft, man erinnere sich an die entsprechende Szene in Panahis »Taxi Teheran«. Wie Rasoulof es geschafft hat, für die Dreharbeiten mit List die Zensur zu umgehen, darüber hat er heute im »Tagesspiegel« – in einem per Skype geführten Interview – Auskunft gegeben: indem die vier Episoden des Films als eigenständige Kurzfilme deklariert wurden (da würde die Zensur nicht so genau hinsehen) und als Regisseure die Namen seiner vier Regieassistenten eingesetzt wurden. 

Vier Geschichten in 150 Minuten, vier Episoden, in denen verschiedene Menschen aufeinander treffen und sich Konflikte entladen, die dritte sehr schnell als Fortführung der zweiten erkennbar, am Ende hängen sie alle miteinander zusammen, verknüpft durch familiäre Beziehungen, in der letzten spielt die Tochter des Regisseurs mit und bringt durch ihre Sätze auf Deutsch eine sehr persönliche Note mit ins Spiel, in dem das familiäre Drama mit einer Schuld in der Vergangenheit zusammenhängt. Durchgehender Topos des Films ist das Militär als der entscheidende Ort, an dem junge Männer gefügig gemacht werden. Wer sich während des 21monatigen Wehrdienstes etwas zu schulden kommen lässt, muss länger dienen, ohne Ableistung des Wehrdienstes kein Pass und keine Anstellung. Und: schließlich dient das Militär der Einübung in die Bereitschaft zu töten. Genau daraus entwickelt der Film Fragen der Gewissensentscheidung, der Möglichkeit und der Pflicht zum Widerstand. 

»There is no Evil« ist kein Frontalangriff auf behördliche Willkür und Korruption, wie es »A Man of Integrity« war, aber er zeigt eindrucksvoll die Stimmung in einem autoritär regierten Land, in dem es gärt unter der Bevölkerung, die ihren Alltag nur unter größten finanziellen Anstrengungen bewältigen kann und in der offenbar die Bereitschaft wächst, den Unmut auf die Straße zu tragen.

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