Wettbewerb: »In den Gängen«

»In den Gängen« (2017). © Zorro Film

Kein schlechter Jahrgang für den deutschen Film, zumindest bei der diesjährigen Berlinale. Am vorletzten Tag platziert, ist »In den Gängen« dabei der unspektakulärste Beitrag – unspektakulär auf eine angenehme Art, wohlgemerkt, Bilder, die dem Zuschauer Zeit lassen, sich in ihnen umzusehen. Im Übrigen: gäbe es hierzulande ein funktionierendes Starsystem, wäre der Film hot, verfügt er mit Franz Rogowski (Berlinale Shooting Star und auch in Christian Petzolds »Transit« überzeugend) und Sandra Hüller (»Toni Erdmann«) doch über zwei höchst angesagte – d.h., möglicherweise auch einem nicht so kinoaffinen Publikum bekannte – Namen.

Es tut gut, Rogowski, der lange Zeit auf absonderliche, irgendwie schräge und extreme Figuren festgelegt zu sein schien, hier, wie auch bei Petzold, so zurückhaltend und minimalistisch agieren zu sehen. Dasselbe gilt auch für die dritte Hauptfigur, gespielt von Peter Kurth, dem Regisseur und Autor Thomas Stuber bereits in seinem vorangegangenen Film »Herbert« eine tolle Hauptrolle gegeben und damit den Darsteller gewissermaßen für das Kino entdeckt hatte.

»In den Gängen« spielt fast gänzlich in einem Großmarkt in Leipzig und beginnt mit dem ersten Arbeitstag von Christian. Dem rät sein Vorgesetzter, die Tattoos an den Unterarmen besser unter den Ärmeln seines Kittels verschwinden zu lassen (»Kommt nicht gut bei den Kunden«). Wiederholt sieht man Christian später jeden Morgen dieselbe Handbewegung ausführen, mit der er genau das macht – einer, der bereit ist, sich anzupassen. Was ihm hier auch leicht gemacht wird. Die ersten Worte des Vorgesetzten (»Wir duzen uns hier alle«) haben noch etwa Zwanghaftes, aber später spürt man doch den Zusammenhalt der hier Arbeitenden. In Bruno hat Christian einen so erfahrenen wie sympathischen Kollegen, der dem »Frischling« geduldig das Handwerk beibringt. Und dann ist da noch Marion aus der Süßwarenabeilung, zu der sich Christian gleich hingezogen fühlt und die seine Sympathien zu erwidern scheint. Sie nähern sich einander an, in rührenden Gesten, aber nach Weihnachten fehlt sie, Bruno gibt Christian den Rat, nicht weiter nachzufragen, erwähnt aber doch, dass ihr Ehemann sie schlecht behandele.

Einmal tauchen zwei Typen aus Christians Vergangenheit auf, das lässt Unangenehmes erwarten, doch stattdessen ist der Film noch für einige Überraschungen gut, erzählt selbst dramatische Momente entdramatisierend, so manches bleibt offen, das hat er mit der Vorlage, einer Kurzgeschichte des Leipziger Autors Clemens Meyer, gemeinsam. Meyers Wenderoman »Als wir träumten« hatte Andreas Dresen verfilmt (Berlinale-Wettbewerb 2015), Thomas Stuber, ebenfalls Leipziger, arbeitet kontinuierlich mit ihm zusammen. Mit »In den Gängen« bringen sie nicht nur ein Stück selten gesehener Arbeitswelt, sondern auch ein Stück ostdeutscher Arbeitswelt auf die Leinwand – im Kino ab 26. April.

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