Glorious Technicolor: Anne of the Indies

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Alexander Horwath, Leiter des österreichischen Filmmuseums, der die Technicolor-Retro mitkuratiert hat und sie mit leicht anderer Filmauswahl demnächst nach Wien bringen wird, hat bei dem Panel zur Vorstellung der Retro von dem Thema des Gendering of Color gesprochen, das einmal näher untersucht werden müsste: Die Frage nach männlicher und weiblicher Ästhetik, ob es sie gibt, wie sie sich je ausdrücken; welche Rolle – im Fall von Technicolor – Natalie Kalmus spielte; ob vielleicht Farbe selbst weiblich konnotiert sei. Das Feminine in der Ästhetik: Das ist schwierig festzumachen.

 

An Anne of the Indies von 1951 aber wird die Weiblichkeit unter der Regie von Jacques Tourneur im Film selbst behandelt; in einem wirklich bunten Piratenfilm, diese wilden Gesellen haben sich ja eklektizistisch wie nix gekleidet, bunt wie die Papageien!

In der Beute eines englischen Schiffes jedenfalls findet sich nicht nur den feschen Franzosen Louis Jourdan, sondern auch ein goldenes Kleid. Im Piratenversteck, einer abgelegenen Insel, betritt der Franzose Annes Zelt – und dieses wilde Mädchen (gespielt von Jean Peters, die wir in Niagara als praktisch veranlagtes Mädel gesehen haben) zieht gerade das Kleid an, hat ihre Weiblichkeit unter der rauen männlichen Piratenschale entdeckt. Und wirft sich Jourdan in die Arme, dem fremden Mann, den sie so begehrt. Ab jetzt kommt sie aus dem Knutschen nicht mehr heraus. Sie ist dahingeschmolzen in einem Traum aus goldenem Stoff.

Kostüm ist bei Technicolor eng mit der Farbgestaltung verknüpft: Und hier hätte man tatsächlich einen Haken, wie man das weibliche Element des farbigen Films erkennen und benennen könnte. Die Kostüme, die im Technicolorfilm reine Glamour-Fantasien sind, in prächtigsten Farben: sie machen einen nicht unbedeutenden Teil der Anmutung des gesamten Films aus, und sie sind aus einer Haltung der Genderklischees heraus ganz auf die Weiblichkeit zugeschnitten: Kleider machen Frauen. Und schön gekleidete Frauen machen den Reiz der Szene, vielleicht gar des ganzen Films aus.

 

Natürlich kann es in diesem konkreten Fall nicht bei einer simplen Zähmung Annes durch die Kostümabteilung des Filmes bleiben. Der Franzose steht in Wirklichkeit in Diensten der verhassten Engländer, und er hat eine Ehefrau in Port Royal. Drei Monate spielt er das Doppelspiel auf dem Piratenschiff, gibt sich und seinen Körper der Kapitänin hin. Und beschwört deren wilde Rache herauf; einen Hass, wie er nur in einem Weib lodern kann, das einmal geliebt hat. Ein Hass, der bisher nur gegen die Engländer gerichtet war, die ihren Bruder gehängt haben. Der sich nun in all seiner eifersüchtigen Rachsucht gegen Pierre François La Rochelle und Gattin richtet: ein wirklich abgrundtief böser Blick von Anne zieht sich über ihr Gesicht…

 

Das Gegengewicht zu Anne bildet Käpt’n Blackbeard, der ihr Vater, Mutter, Lehrer und Vorbild ist. Der gerät mit ihr in Zwist über den Franzosen, gegen den Blackbeard heftige Argwohn hegt. Und dass er eine Beleidigung niemals duldet, ist Anne klar, als sie ihn mit gezogener Waffe auffordert, zu verschwinden. Doch, und das macht der Film deutlich klar: Männlicher Hass und männliche Rache bauen sich auf und entladen sich schnell. Getötet wird kurz und hart. Anne dagegen: Sie entführt die Frau des Franzosen, um sie beim Mädchenhändler zu versteigern; als das nicht klappt, setzt sie das verhasste Liebespaar auf Dead Man’s Cay aus, einer heißen, wasserlosen Sandbank.

Und nur in der Nacht quälen sie ihre Träume, die der Schiffsarzt eindeutig diagnostiziert: Bei einem menschlichen Wesen würde er von Gewissen reden. Ja: Auch das Gewissen gehört zur Weiblichkeit, und der Wahnsinn, mit dem gepaart es die Handlungen von Anne nun regiert. Sie rettet das Liebespaar. Und stellt sich auch noch als letztes Opfer Blackbeard entgegen.

In Anne hat schließlich das Weiblich-Weiche gegen das Weiblich-Hassende gesiegt, um den Preis von Wahnsinn und Tod.

 

Jaja, so sind sie, die Weiber.

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