Teufelssabbat

Terence Fisher hat die lakonischsten Schlusseinstellungen gedreht. Ihre Nüchternheit vertrug sich überhaupt nicht mit dem Genre, in dem er arbeitete: dem Horrorfilm. Aber sobald die Gefahr gebannt und das Monster tot war, blendete er unverzüglich den Titel "The End" ins Bild ein. Dazu ertönt ein Crescendo, aber zum Ausklingen bleibt keine Zeit. »The Devil rides out«, der am Dienstag in der "Kultkino"- Reihe des Frankfurter Filmmuseums läuft, bildet jedoch eine reizvolle Ausnahme.

Auch hier verliert Fisher keine Zeit, um das Publikum stracks zurück in die Realität zu katapultieren. Aber diesmal endet der Schrecken in einer Abblende. Ich muss gestehen, ich war sacht enttäuscht, als ich den Film am Wochenende wiedersah: Die britische Sachlichkeit, mit der Fisher sonst zum Schluss kommt, fehlte mir. Sie bedeutete natürlich nie, dass man getrost wieder zur Tagesordnung übergehen konntstellt hiere. Schließlich waren seine Dracula- und Frankensteinfilme auf Fortsetzung angelegt und blieb der Sieg des Guten vorläufig. Mit dem Vorübersein hat es in »The devil rides out« freilich seine eigene Bewandtnis. Zweimal wird Christopher Lee die bange Frage "Is it over?" gestellt, auf die er mit einem beruhigenden "Yes, it's all over." antwortet. Aber wenn es das erste Mal schon nicht stimmte, warum sollte man seinen Worten beim zweiten trauen?

Es ist ohnehin eine eher ungewöhnliche Hammer-Produktion. Lee musste erst gegen den Widerstand der Studioleitung durchsetzen, einen Film über schwarze Magie drehen zu können. Im Audiokommentar der bei Anchor Bay erschienen DVD jedenfalls reklamiert er für sich, allein für das Entstehen des Films verantwortlich zu sein. Als Herzog von Richleau ist er in einer unüblichen Rolle zu sehen. Er übernimmt quasi den Peter-Cushing-Part des unerschrockenen Streiters gegen alles Okkulte. Trotz des Namens, der normannischen Ursprungs sein dürfte, ist der Herzog ein Puritaner reinsten Wassers. Gewiss, ein Menschenfreund, der die Welt aber mit umfassendem Argwohn betrachtet. Dieser ist vollends gerechtfertigt, da er einen Freund und dessen Verlobte aus den Händen eines Satanistenkultes retten muss. Deren Anführer Mocato wird von dem sublimen Charles Gray verkörpert und man muss nur in dessen unergründlich blauen Augen schauen, um zu erahnen, dass dies ein ebenbürtiger Gegenspieler für Lee sein wird.

Die Sekte scheint divers aus allen Ecken des damaligen Empire (der Film spielt 1929) rekrutiert worden zu sein. Das sieht man kurz, als Lee und sein Mitstreiter sich eingangs Zutritt zu ihrem Members-Only-Zirkel verschaffen. Vielleicht eine Persiflage auf die englische Institution des Klubs - immerhin stammt das Drehbuch von dem Amerikaner Richard Matheson. Die aktuelle Zusammenkunft der Sekte soll in einer Heiratszeremonie gipfeln, was den deutschen Titel »Die Braut des Teufels« hinreichend legitimiert. Das ist ein tolles Spektakel: eine Hochzeitsgeselllschaft, die aus lauter Satanisten besteht und auf das pünktliche Erscheinen des Dämons wartet, der die Eheschließung segnen soll. In hiesigen Kino lief Fishers Film laut Wikipedia nie, sondern feierte verspätet Premiere im Fernsehen. Die morgige Vorführung im DFF ist eine seltene Gelegenheit, ihn auf der großen Leinwand zu sehen.

1967 scheint sich das Schreckensarsenal von Hammer bereits einigermaßen erschöpft zu haben. »The Devil rides out« ist zwar gewohnt straff erzählt, es braucht aber seine Zeit, bis er furchterregend wird. Die Partitur vom Hauskomponisten James Bernard klingt zunächst nur unheimlich, bis sie dann zu dramatischen Höhen anschwillt. Hinter der Kamera stand nicht mehr der brillante Farbberserker Jack Asher, sondern Arthur Grant, der gedecktere Töne bevorzugte. (Nebenbei ist das Ganze eine schöne Art-Déco-Studie.) Besonders beendruckte mich die Arbeit des Schnittmeisters Spencer Reeve, der brüske Zäsuren und ahnungsvolle Überblendungen setzt. Die Abfolge der Tageszeiten ist bei ihm ziemlich flexibel. Alles in allem bestätigt »The Devil rides out«, was mein Freund Bodo Traber einmal Fishers Spätwerk bescheinigte: schiere handwerkliche Perfektion. (Ich glaube, er bezog das seinerzeit auf "Frankenstein must be destroyed", aber ich erlaube mir an dieser Stelle mal eine lässliche Verallgemeinerung.)

Lee ragt aus dem Ensemble schon kraft seiner natürlichen Authorität heraus. Der Herzog ist ein Spezialist des Okkulten, der dessen Historie und Ikonografie hingebungsvoll studiert hat. Als Einziger ist er gegen die zahlreichen Anfechtungen gefeit. Eine Bastion der Vernunft? Er behält zumindest einen so klaren Kopf, dass er noch dem größten Humbug pseudowissenschaftlich beikommen kann. Selbst Dialogzeilen wie "The Angel of Death was here – he cannot return empty-handed." oder "Time itself has been reversed for us." verleiht Lee sonore Würde. Meine Lieblingssophisterei ist freilich das Zwiegespräch "Mind over matter?" - "Mind over mind!".

Denn darum geht es bei diesem erbitterten Machtkampf: die Gewalt über Verstand und Seele zu gewinnen. Zwei starke Hypnotiseure ringen miteinander um Wohl oder Wehe von Schutzbefohlenen. Der Spannungsbogen steigt langsam, aber unwiderruflich an. Den Schrecken der Figuren, als sie im Schrank versteckte Hühner entdecken, die als Opfergabe dienen sollen, muss man noch nicht teilen. Aber als die Kamera später flugs auf die stechenden Augen von Charles Gray zustrebt, geht ihre Bedrohlichkeit durch Mark und Bein. Sie sind durchdringend im Wortsinne, überwinden Wände, Decken und weite Entfernungen. Solche Augen erkennen, was uns selbst verborgen ist. Fishers Film steuert mithin auf ein Duell der Blicke zu: ein Kinosujet par excellence.

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