Zwischenzeitlich

Geschichten sind unberechenbar. Sie erscheinen nicht auf Bestellung. Manche sind zu stolz, sich aufzudrängen. Sie wollen gefunden werden. Vor denen, die sich heran schmeißen, sollte man sich hingegen in Acht nehmen. Sie entpuppen sich oft als hochstaplerisch. Wieder andere werden leicht ungeduldig. Sie mögen es nicht, wenn man den richtigen Zeitpunkt verpasst.

So oder so muss man auf der Hut sein. Mit Widerstand iast immer zu rechnen. Mal fehlt es an Nachrichtenwert, dann an Relevanz oder Würze. Das Erzählen muss sich lohnen. Zuweilen geben die Themen mehr her als vermutet. Im Gegenzug entwickeln sich die Vielversprechenden nicht immer wie erhofft. Es kann passieren, dass sie eine Energie entfalten, die man gar nicht mag: eine negative. Obwohl die Geschichte legitimiert sein will, trägt sie selbst keine Schuld am Scheitern. Ihnen schwant bestimmt längst, worauf das hier hinausläuft.

Die langen Pausen, die gelegentlich bis oft zwischen den Einträgen in diesem Blog verstreichen, sind eben nicht nur Zeitnot, Faulheit oder Schreibblockaden geschuldet. Es sind mitnichten bloße Denkpausen. (Ein paar schwebende Verfahren gibt es immer.) Andererseits wäre es unredlich zu verschweigen, dass die Inspiration sich gern einmal eine Auszeit gönnt. Die vergangene Woche beispielsweise habe ich mit gründlichem Zögern zugebracht. Nichts, das wirlich Funken schlagen wollte! 

Zu Wochenbeginn fragte ich mich, warum ich nicht mal etwas über den Europäischen Monat des Films schreiben sollte? Eigentlich ist das doch eine erfreuliche Einrichtung. In diesem Jahr hat er für mich sogar spannend begonnen. Und ungewöhnlich erst recht: mit einem deutschen Film. Am Sonntag, dem offiziellen Europäischen Kinotag, holte ich im Bundesplatzkino den neuen Film von Hans-Christian Schmid nach. »Wir sind dann wohl die Angehörigen« war so gut, wie ich erwartet hatte. Also noch kein Nachrichtenwert. Dass der Regisseur im Anschluss an die Vorführung zu einer Diskussion erschien, wusste ich im Vorfeld nicht. Beinahe also doch Nachrichtenwert? Auf die Fragen des ziemlich generationenübergreifenden Publikums antwortete er konzentriert, gescheit, sensibel und offen. Ich glaube, der kann gar nicht anders, so ernst und reflektiert, wie er nun einmal Filme macht. Jedoch wurde unser Kinoerlebnis so noch einmal vertieft, es wurde intensiver, vertraulicher. Ein schönes, würdiges Schlüsselwort, das viele der Fragenden auf seinen Film münzten, war "respektvoll". Solche Begegnungen werden im Verlauf des Monats sicher noch öfter stattfinden (vielleicht nicht so intim und ergiebig). Eine Geschichte ist das noch nicht, zumal ein Großteil der beteiligten Kinos sowieso das ganze Jahr über europäische Filme zeigen. Zudem laufen die programmierten Filme fast ausnahmslos als Vorpremieren, es geht mithin weniger darum, Schneisen der Entdeckung zu schlagen, sondern vielmehr auf deren Kinostart einzustimmen.

Für einen Moment dachte ich daran, die Telefonzelle mit einem zu verabschieden. Da gäb es es Kinoszenen genug, könnte man machen, demnächst mal. Den Rest der Woche widmete ich mich dann einem Thema, das mir ziemlich spektakulär erschien. Das war insofern vergeudete Zeit, als daraus nie etwas werden wird. Mit hin tut der Inhalt nun nichts mehr zu Sache. Der Erkenntnisgewinn war indes nicht gering. Anfangs hatte ich Feuer gefangen, aber vielleicht doch nur beinahe. Denn diese Geschichte, die mich sacht in Rage brachte, beruhte auf Informationen aus zweiter oder dritter Hand beruhte. Ich tat gut daran, dem zu misstrauen, denn je mehr ich recherchierte, desto weniger blieb von meinen Verdachtsmomenten und Rückschlüssen übrig. Unwohl war mir bei der ganzen Chose zudem, weil sie jene negative Energie entwickelte, von der ich eingangs schrieb. Will man nicht haben im November. Dennoch passt diese verflixte Unschlüssigkeit gut zu diesem Monat des Dazwischen: Er ist etwas nicht mehr und etwas anderes noch nicht.

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