Zwei Träume gehen zu Ende

Im Bundesplatz-Kino in Berlin ist der frühe Freitagabend dem italienischen Kino gewidmet. Nicht jede Woche, aber mit schöner Regelmäßigkeit. Man merkt, dass Martin Erlenmaier immer genau weiß, weshalb er einen Film auswählt; gleichviel, ob es ein Klassiker oder er ganz frisch ist. Für heute Abend hatte er die glänzende Idee, kurzfristig den letzten Film ins Programm zu nehmen, in dem Catherine Spaak mitspielt.

In »La Vacanza« (Auszeit) von 2019 hat die vor wenigen Tagen in Rom an einer Gehirnblutung gestorbene Schauspielerin noch einmal eine große Hauptrolle. Nach der Vorführung um 18 Uhr wird eine ihrer Leinwandpartnerinnen, Martina Klier, über die Zusammenarbeit und den Film sprechen. Benvenuti a tutti! Spaak war belgisch-französischer Herkunft, blühte aber, wie viele in ihrer Generation, im italienischen Kino auf. Sie stammte aus einer illustren Familie: Ihre Mutter Agathe war ebenfalls Schauspielerin, ihr Vater Charles einer der wichtigsten Drehbuchautoren des französischen Tonfilms und dessen Bruder Paul-Henri belgischer Ministerpräsident. In Jacques Beckers »Das Loch« hatte sie 1960 eine kleine Rolle, in Italien debütierte sie im gleichen Jahr unter der Regie von Alberto Lattuada in »Wenn Mädchen Frauen werden«. Ihre erste Hauptrolle war einerseits eine familiär eingefädelte Angelegenheit, denn Charles und der Regisseur hatten sich 1953 bei der Arbeit an »La spiagga« (Der Skandal) angefreundet und andererseits ein typisches Phänomen der Co-Produktion. Ihren Durchbruch erlebte Catherine zwei Jahre später als Vittorio Gassmans selbstbewusste Tochter in »Il Sorpasso« (Verliebt in scharfe Kurven). Neben ihm trat sie auch in "Branca Leone" auf. Sie hatte genau den richtigen Zeitpunkt abgepasst. An der heroischen Phase der commedia all'italiana hatte sie teil vor allem als kapriziöse, träumerische Bikinischönheit, die sich zudringlicher Männer zu erwehren wusste. Ihr Lächeln steckte voller Eigensinn. Auch dramatische Rollen lagen ihr, namentlich in der Moravia-Verfilmung »Die Nackte« neben Bette Davis und Horst Buchholz. Ich finde, in „Das Mädchen aus Parma“ von Antonio Pietrangeli hat sie ihren stärksten Auftritt. Sie changierte zwischen den Genres, spielte bei Henri Verneuil, Daria Argento und Italo-Blaxplotation-Western, bevor sie eine erfolgreiche Karriere als Fernsehmoderatorin einschlug.

Heute morgen kam die Nachricht, dass ein weiterer französischer Schauspieler gestorben ist, der im italienischen Kino groß wurde: Jacques Perrin. Über eine denkwürdige Begegnung mit ihm schrieb ich am 29. 10. 2020 in »Verwandelte Melancholie«. Da ging es hauptsächlich um seine Zusammenarbeit mit Valerio Zurlini, in dessen Filmen man Anfang der 1960ern zusehen konnte, wie Perrin als Schauspieler ganz schnell heranreifte. Diese sehr europäische Periode im italienischen Kino hört nicht auf, mich zu faszinieren. Mit den Co-Produktionen kam auch ein anderer darstellerischer Elan ins transalpine Kino, eine andere Spielart jugendlicher Virilität. Der frohgemute Romantiker lag Perrin erstaunlich lange. Das spürt man besonders in seinem ersten Film mit Jacques Demy, »Die Mädchen von Rochefort«, wo er einen versonnen schneidigen Matrosen auf Heimaturlaub spielt, der auf die Suche nach der großen Liebe geht. Ich habe ihn gerade noch einmal in Costa-Gavras' Regiedebüt »Mord im Fahrpreis inbegriffen« gesehen, wo er einen liebenswürdigen blinden Passagier spielt, der unter Mordverdacht gerät. Im französischen Kino war er eine Institution, als Schauspieler, aber eben auch als Regisseur und Produzent von Dokumentarfilmen in denen die Schönheit der Natur zu einer ethischen Mission gerät. Der einzige Dokumentarfilmer, der mit Blockbuster-Budgets dreht, scherzte ein durchaus neidischer Kollege einmal. Perrin konnte sich immer wieder neu erfinden. Mit 27 Jahren verwandelte er sich kurzerhand in einen Produzenten, damit Costa-Gavras »Z« drehen konnte: ein großer Ermöglicher. Mit den Bankiers, erzählte er später, habe er nicht über Geld gesprochen, sondern über Träume, die man sich erfüllen muss.

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