Buch-Tipp: Michael Flintrop – John Badham. Blick und Bewegung

Ein Derrida des Kinos

Was lange währt . . . Ursprünglich sollte dieses Buch bei Bertz+Fischer erscheinen, unschwer zu erkennen am Cover, das in seiner Zweiteilung der »Deep Focus«-Reihe des Verlags folgt. Jetzt eröffnet es das Programm der Fenomena-Filmbücher, herausgegeben von Michael Flintrop, der bei Bertz+Fischer bereits Bände über Joe Dante und Dario Argento mitherausgab. Sie waren, genau wie Badham, Gäste des Cinestrange-Filmfestivals, das ihnen seine Retrospektiven widmete, Badham im Jahr 2014. 

Nicht mehr als »ehrliche, brauchbare Ware« seien die Filme von Badham, hieß es 1988 in einem Porträt in »epd Film«. Dem würden sich wohl die meisten, die nicht gerade dem Kino der achtziger Jahre ihre filmische Sozialisation verdanken, anschließen. Bei Badhams Filmen denkt man nicht unbedingt zuerst an den Namen des Regisseurs, eher an die Darsteller oder an das Zeitgeistige in ihnen: »Saturday Night Fever«, der 1979 John Travolta zum Star machte, Mel Gibson und Goldie Hawn in »Bird on a Wire«, einer Action-Buddy-Komödie. Es ist das Genre, unter dem sich viele von Badhams Filmen summieren lassen, die heute wieder aktuellen Thriller »War Games«, in dem 1983 der Kalte Krieg heiß wurde, und »Blue Thunder« mit seinem imposanten Überwachungshubschrauber – viel Hightech. Eher vergessen: der romantische »Dracula« mit Frank Langella und der Berlinale-Wettbewerbsbeitrag »Whose Life Is It Anyway?« mit Richard Dreyfuss als paralysiertem Künstler, der für sein Recht auf selbstbestimmtes Sterben kämpft.

In seiner Anlage folgt das Buch bekannt-bewährten Mustern von Sammelbänden über Filmemacher: Essays, ein Werkstattgespräch, Texte zu den einzelnen Filmen, ein Datenteil, ein Register, bebildert mit einer Fülle von Screenshots. Ungewöhnlich ist der Umfang von 449 Seiten, zweispaltig und eng bedruckt mit äußerst schmalem Rand, als würde es jeden Moment aus allen Nähten platzen. Es gibt offensichtlich mehr über John Badham zu sagen, als es den Anschein hat. 

Zum »weltweit ersten Buch über John Badham« (Klappentext) haben neben dem Herausgeber 44 Autor:innen beigetragen; Badham selbst steuert ein knappes Vorwort bei. Zwölf Essays zu einzelnen Aspekten von Badhams Werk nehmen die ersten 190 Seiten des Buches ein, dabei steht seine sogenannte »Technik-Trilogie« (Blue Thunder, War Games, Short Circuit) wiederholt im Mittelpunkt. Die meisten der Texte sind wissenschaftlich basiert, wie aus den zitierten Werken in den Fußnoten erkennbar, aber lesbar geschrieben. Nach ihrer Lektüre findet man auch die Frage »John Badham – ein Jacques Derrida des Kinos?« (S. 93) nicht mehr abwegig. Das in diesen Teil eingefügte Werkstattgespräch vom Cinestrange-Festival hätte ich mir länger gewünscht als die 13 Druckseiten, denn Badham erzählt sehr anschaulich. Mit dem anschließenden Teil, der auf 58 Seiten Badhams 16 Kinofilme vorstellt, hat sich die Beschäftigung mit dem Filmemacher jedoch nicht erschöpft.

Was weniger bekannt ist: Er hat vor und vor allem nach seiner Kinokarriere (1976−1997) für das Fernsehen gearbeitet. 16 TV-Filmen und 59 TV-Episoden werden hier mit 31 Texten 102 Seiten eingeräumt – allein dafür verdient dieses Buch seine Auszeichnung. Die TV-Arbeiten werden im vom Herausgeber verfassten Datenteil ebenso ausführlich dokumentiert wie die Kinofilme, auch das im Zeitalter der IMDb keine Selbstverständlichkeit. Nach der Lektüre (bei der ich nur etwas zur Schwarz-weiß-Fassung von »Dracula« vermisst habe) kann man sich sicher sein, dass die Filme von John Badham einen zweiten Blick verdient haben; auf die weiteren Bände der Reihe bin ich gespannt.



Michael Flintrop (Hg.): John Badham. Blick und Bewegung. Fenomena-Filmbücher, Braunschweig 2022. 449 S., 34 €.

Bestellmöglichkeit (Verlag)

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt