arte-Mediathek: »Ehrliche Leute«

»Ehrliche Leute« (Serie, 2022). © Hélicotronc/arte

»Ehrliche Leute« (Serie, 2022). © Hélicotronc/arte

Kleingewerbe auf Abwegen

Eine einsame Waldstraße, tiefe Nacht. Ein Mann ruckelt an einem Auto, versucht es über die Böschung zu stürzen. Schließlich klappt es. Er schiebt sich hinter das Steuer, neben die leblose Person auf dem Beifahrersitz, verletzt sich vorsätzlich. Draußen setzt er den PKW in Brand.

Er meldet das Unglück und den Unfalltod seiner Frau Linda. Die französische Polizei nimmt seine Aussage auf, hegt keine Zweifel. Man kennt sich. Der Fahrer, Tom Leroy, ist ein belgischer Kollege. Nur Philippe, ein einfacher Streifenpolizist, der die Tote kannte, wird misstrauisch. Die Verbrennungen an Toms Händen entsprechen nicht seiner Beschreibung des Unfallhergangs. Die Leiche des Unfallopfers, Toms Ehefrau, wird ungewöhnlich schnell eingeäschert. Eine Obduktion ist nicht mehr möglich.

Jetzt könnte ein konventioneller Krimi seinen Lauf nehmen. Ein Psychoduell zwischen Philippe und Tom, die mühsame Suche nach Indizien, Vertuschungsversuche des Verdächtigen, ungeduldiges Abwinken seitens der Vorgesetzten.

Letzteres trifft zu, aber ansonsten folgt die Erzählung anderen Wegen, schlägt Haken, springt in der Zeit, umfasst eine Fülle origineller Wendungen. Angesiedelt ist das Geschehen im französisch-belgischen Grenzgebiet, rund um eine Plakattafel mit den Worten »Willkommen im Herzen Europas«. Hier befasst sich die Polizei mit Geschwindigkeitskontrollen, schiebt ansonsten eine ruhige Kugel und reagiert abweisend, als ein Bauer eine Brandstiftung meldet. Jemand hat auf einem seiner Felder eine kreisförmige Fläche abgebrannt. Skurril, aber uninteressant, meint der Streifenpolizist Joseph, der lieber Pädophile jagen würde.

»Ehrliche Leute« verspricht der Titel des belgisch-französischen Sechsteilers und meint Kleinbürger, Unglücksraben, Einfaltspinsel, verstrickt in einen Wirbel aberwitziger Verwicklungen, die Religion und Esoterik streifen, gar ins familiäre Umfeld des belgischen Königshauses führen.

Nach allgemeiner Auffassung gilt Großbritannien als Heimat des schwarzen Humors, aber die Belgier stehen den Angelsachsen in Sachen makabrer Galligkeit nicht nach. TV-Serien wie »Clan« und eben »Ehrliche Leute« belegen es. Die Serie ist reich an befremdlichen, aber nicht völlig abwegigen Geschehnissen, die sich in einem alltäglichen oder zumindest nachvollziehbaren Umfeld abspielen. »Ehrliche Leute« beispielsweise nimmt seinen Anfang mit der Verweigerung eines Kredits und der daraus resultierenden Insolvenz eines Kleinunternehmens.

Voraussetzung für das Gelingen dieser Spielart ist eine überzeugende Inszenierung mit scharfem Blick fürs Detail. Bemerkenswert ist auch, dass einmal mehr Arte France maßgeblich beteiligt ist, als Koproduzent und Käufer europäischer Serienproduktionen ein bedeutender, leider schwer zu bewertender Marktteilnehmer, weil der Sender keine Daten über die Budgets des verantwortlichen Produktionszweigs herausgibt.

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