Starzplay: »Queer as Folk«

»Queer as Folk« (Serie, 2022). © Starzplay/Peacock

»Queer as Folk« (Serie, 2022). © Starzplay/Peacock

Queer und kompliziert

»Bestraf meinen weißen Arsch! Er ist so verdammt privilegiert!«, fordert der nackte Kerl auf der Couch seinen dunkelhäutigen One-Night-Stand auf. Mit dieser mehrfach aufgeladenen Sexszene zwischen zwei Männern beginnt die Starzplay-Serie »Queer as Folk«, die wie der Titel schon andeutet, verdammt queer ist und dabei kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Szene geht noch ein bisschen weiter, der weiße Typ hat sich allen Ernstes ein »Black Lives Matter« oberhalb seines Hinterns tätowieren lassen und hält sich für den Vorzeige-Verbündeten im Kampf um schwarze Gleichberechtigung. Bis es Brodie endgültig reicht, er sich anzieht und geht.

Brodie, gespielt von Devin Way, ist eine der Hauptfiguren dieser dritten Version von »Queer as Folk«. Ursprünglich hatte die Serie 1999 der britische Regisseur und Produzent Russell T. Davies (»It's A Sin«) kreiert, das Original spielte in Manchester und drehte sich um ein Trio weißer, schwuler Cis-Männer. Showtime übernahm das Konzept für die US-Variante, die in Pittsburgh angesiedelt war und sich in fünf Staffeln bis 2005 weiterentwickelte. Damals wurde es als progressiv gefeiert, unterschiedliche Typen schwuler Männer zu präsentieren, von denen einer ein bisschen femininer, der andere ein bisschen spießiger sein durfte, ein paar lesbische Frauen gab es auch.

Der 1989 geborene Stephen Dunn verlegt die Neuauflage nun nach New Orleans, außer dem Namen des Clubs, »Babylon«, bleibt nicht viel übrig. Im Grunde nicht mal viel vom Club selbst, denn gleich in der ersten Episode wird ein homophober Anschlag auf die Feiernden verübt, mehrere Menschen sterben, viele sind verletzt. Eine direkte Referenz auf das Attentat in Orlando 2016, als bei einer Queer Latin Party im Pulse Nightclub 49 Menschen ermordet wurden. Dunn konsultierte Überlebende, um ihre Geschichten zu erzählen, die in das Drehbuch eingeflossen sind.

Acht Folgen lang begleitet das Reboot Besucher und deren Freunde und Familien in ihrem Alltag, zeigt, wie sie mit dem Trauma umgehen und wie ihr Leben weitergeht. Viele der Geschichten drehen sich um Repräsentation und spezifische Erfahrungen, die trans* Personen, People of Color und Menschen mit Behinderungen in der queeren Szene machen, so offen und egalitär sie sich auch gibt, selbst in einem Meltingpot wie New Orleans. Auch die Besetzung kommt zum Großteil aus der LGBTQ+-Community, ergänzt durch bekennende Allies wie Kim Cattrall und Juliette Lewis in Elternrollen.

Shar (CG), eine nonbinäre Person of Color, und ihre trans* Freundin Ruthie (Jesse James Keitel) werden Eltern von Zwillingen, Brodie ist der Samenspender, sein jüngerer Bruder Julian outet sich ebenfalls als schwul, was sein Umfeld zu überraschen scheint, weil sie ihm wegen seiner Zerebralparese bislang offenbar gar keine Sexualität zugestanden haben. Gespielt wird er von Ryan O'Connell, der seine eigene Zerebralparese bereits in seiner Comedyserie »Special« thematisiert hat und auch hier zum Drehbuchteam zählt.

Bei aller Diversität tun Dunn und sein Team von Autor*innen gut daran, ihre Figuren auch kompliziert und widersprüchlich schillern zu lassen. Ruthie hadert mit ihrer neuen Mutterrolle, Noah entwickelt nach dem Tod seines Lovers einen riskanten Drogenkonsum, der nonbinäre Teenager Mingus (Fin Argus) will nach dem Attentat lange nicht mehr in Drag auftreten und findet schließlich genau dadurch ein Ventil, seinen Schmerz und seine Wut auszudrücken.

So woke und smart und auch sexy »Queer as Folk« 3.0 daherkommt, sind die Macher in einem jedoch deutlich vorsichtiger als das britische Original. Dort war Nathan, gespielt von dem späteren »Sons of Anarchy«-Star Charlie Hunnam, gerade mal 15 Jahre, als er in der Pilotfolge Sex mit dem Endzwanziger Stuart (Aidan Gillen) hat. In der US-Variante von 2022 ist Mingus mit 17 das Küken, das neu in die Szene kommt und genau weiß, was es will. Und er muss erst volljährig werden, bevor er sich so richtig auszuleben beginnt.

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