Buch-Tipp: Monografien von Barbara Albert & Jessica Hausner

Aufbruch der Frauen

Der 2.9.1999 markierte den Initialmoment für eine neue Generation österreichischer Filmemacherinnen. Damals lief »Nordrand«, der erste lange Spielfilm von Barbara Albert, im Hauptwettbewerb der Filmfestspiele von Venedig. So eröffnet ein Porträt dieser Filmemacherin den Sammelband »Eine eigene Geschichte. Frauen Film Österreich seit 1999«. 32 AutorInnen aus Österreich und Deutschland nähern sich dem Thema in 34 Texten an. 

Neben Würdigungen einzelner Regisseurinnen, manchmal auch in Gesprächhsform, stehen Filmlektüren (mehrfach auch von zusammenpassenden Filmen unterschiedlicher Filmemacherinnen) sowie zwei Gesprächsrunden: In der ersten kommen eine Kamerafrau, eine Editorin, eine Kostümbildnerin und eine Sounddesignerin zu Wort, im zweiten fünf Filmemacherinnen zum Thema »dokumentierte Haltungen«. In sechs Abschnitten geht die Reise vom narrativen Autorenfilm über Genrefilme und -serien bis zu Animationsfilmen und jenen Filmemacherinnen, die im Bereich des experimentellen Films arbeiten, wobei sich die Thematisierung des Verhältnisses von Dokumentarischem und Fiktionalem durch viele Filme und Beiträge zieht. Zu den Filmemacherinnen, die hierzulande eher durch Festivalaufführungen bekannt sind, gehören etwa Anja Salomonowitz mit ihren »Momenten der Irritation«, Astrid Johanna Ofner und ihre »Arbeit am literarischen Text«, Barbara Eder mit ihrem »Wechsel aus Kalminierung und vibrierender Hektik« sowie Sabine Derflinger, die »den Unsichtbaren eine Stimme gibt«. 

»Fokussiert auf die Regiefunktion«, wie die Herausgeberin Isabella Reicher in der Vorbemerkung schreibt, fallen dabei einige wichtige Filmschaffende durch das Raster – gern hätte ich auch etwas erfahren über die Produzentinnen Gabriele Kranzelbinder und  Bady Minck, gebürtige Luxemburgerin, die seit langem in Wien arbeitet, über die Cutterin Mona Willi oder die Autorin und Kamerafrau Eva Testor (sie kommt hier nur kurz vor in ihrer Zusammenarbeit mit anderen). Kurze Bio-Filmografien der 61 vorgestellten Filmemacherinnen sowie ein Personenregister beschließen den Band. Bei der Lektüre stellt man immer wieder fest, dass viele der Filme es nie in die deutschen Kinos geschafft haben – immerhin  kann man auf 3sat regelmäßig österreichische Film- (und Fernseh-)Arbeiten sehen.

Barbara Albert und Jessica Hausner, die beiden international bekanntesten Regisseurinnen der seinerzeit auch als Nouvelle Vague Viennoise bezeichneten Aufbruchsbewegung, werden zudem mit den ersten beiden Bänden der Reihe »Aus der Werkstatt« gewürdigt. Die chronologisch geordneten ausführlichen Gespräche beziehen auch das Umfeld, in dem sie aufwuchsen, und die für sie so wichtige Zeit an der Wiener Filmakademie mit ein. Dort gehörten sie beide zum gleichen Jahrgang, bewerten ihre Erfahrungen in der Ausbildungsinstitution aber durchaus unterschiedlich. Während Barbara Albert von einem »Vakuum im besten Sinne« spricht, das durch den Tod von Axel Corti entstanden war, empfand Jessica Hausner, mit damals 18 Jahren fast fünf Jahre jünger als die meisten anderen Studierenden, sich als Außenseiterin und »die ersten zwei Jahre (als ein) Schlachtfeld, auch unter den Studierenden«. Bei Barbara Albert geht es um »die Suche nach Authentizität« und das »ausgeprägte Interesse für Symbolik auf der anderen Seite«, bei Jessica Hausner um den »unbändigen Willen, stilistischen Eigensinn mit einem einfühlsamen Blick auf die Figuren zu vereinen«. Fragen der (Nicht-)Finanzierung von Projekten werden ebenso erörtert wie die spezifischen Arbeitsweisen, bei Albert etwa das Nichtimprovisieren am Drehort, bei Hausner die genaue Vorbereitung durch Storyboards. Es geht um die langjährige Zusammenarbeit mit Talenten vor und  hinter der Kamera, die Bedeutung von Festival­aufführungen ihrer Filme, sowie die – durchaus unterschiedliche – Arbeit innerhalb der Produktionsfirma coop 99, die sie 1999 gemeinsam mit dem Kameramann Martin Gschlacht und dem Regisseur Antonin Svoboda, Kommilitonen der Filmakademie, gründeten. 

Im Anhang gibt es brauchbare Filmografien, außerdem Materialien, darunter ein Statement von Hausner zu Catherine Breillats »à ma soeur!« und einen autobiografischen Text, den Albert 2006 veröffentlicht hat. 

 

Isabella Reicher (Hg.): Eine eigene Geschichte. Frauen Film Österreich seit 1999. 270 S., 25 €. Sonderzahl-Verlag, Wien 2020 bzw. 2021.

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Kerstin Parth, Albert Meisl (Hg.): Barbara Albert, 120 S., 16 € (Aus der Werkstatt, Bd. 1). Sonderzahl-Verlag, Wien 2020 bzw. 2021.

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Kerstin Parth, Laura Ettel, Jana Libnik, Nicolas Pindeus (Hg.): Jessica Hausner. 180 S., 16 € (Aus der Werkstatt, Bd. 2). Sonderzahl-Verlag, Wien 2020 bzw. 2021. 

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