Disney+: »Dopesick«

»Dopesick« (Miniserie, 2021). © FX Productions / Disney+

© FX Productions / Disney+

Die Folgen des Schmerzes

Wer in den letzten Jahren amerikanische Filme oder Serien gesehen hat, in denen es um Drogenkonsum geht, wird das Wörtchen Oxy kennen. Das Schmerzmittel Oxycontin beziehungsweise der darin enthaltene Wirkstoff Oxycodon gilt als verantwortlich dafür, in den späten neunziger Jahren die Opioid-Krise ausgelöst zu haben, die jährlich für mehr als 50 Prozent der Drogenüberdosen in den Vereinigten Staaten verantwortlich ist und in den vergangenen 25 Jahren mehr als 500 000 Menschen das Leben gekostet haben soll. In der Miniserie »Dopesick«, die auf dem Sachbuch »Dopesick: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie uns süchtig machen« von Beth Macy basiert, zeichnet nun Creator und Showrunner Danny Strong in acht Folgen nach, wie es zu solchen Zuständen kommen konnte.

Weil Strong sich der Sache nicht dokumentarisch, sondern fiktional annimmt, mussten er und sein Writers' Room einige Protagonist*innen finden, an denen sich die größtenteils zwischen 1996 und 2005 angesiedelte Geschichte aufhängen ließ. Da ist zum Beispiel die junge Minenarbeiterin Betsy (Kaitlyn Dever), die in einer kleinen Bergstadt in Virginia damit ringt, ihren gläubigen Eltern von ihrer Homosexualität zu erzählen, und nach einem Unfall bei der Arbeit von ihrem langjährigen Arzt erstmals das noch recht neue Medikament Oxycontin verschrieben bekommt. Eben dieser Dr. Finnix (Michael Keaton), so etwas wie die gute Seele des Ortes, ist anfangs offen für die Avancen des freundlichen Pharmavertreters Cutler (Will Poulter), der ihm das Arzneimittel als besonders wirksam und nicht abhängig machend anpreist. Die Einsicht, dass die Realität wohl doch etwas anders aussieht, kommt ihm erst viel später.

Jahre danach wollen in Virginia zwei Bezirksstaatsanwälte (Peter Sarsgaard und John Hoogenakker) angesichts rasant gestiegener Beschaffungskriminalität im Zusammenhang mit Oxycontin ein Verfahren gegen dessen Hersteller, die Firma Purdue Pharma, in die Wege leiten. Dafür nehmen sie auch Kontakt auf zu Bridget Meyer (Rosario Dawson), Agentin der Drug Enforcement Administration, die bereits in ähnlicher Richtung ermittelt hatte und dabei überall an der mächtigen Gegenseite gescheitert war. Dort steht wiederum Richard Sackler (Michael Stuhlbarg) im Fokus, einer der Erben des Familienunternehmens Purdue, der hartnäckig und ohne Rücksicht auf Verluste alles daransetzt, seine Erfindung Oxycontin zum weltweit erfolgreichen Blockbuster unter den Schmerzmitteln zu machen.

Das ist viel Plot und Personal für knappe acht Stunden, und nicht immer setzt »Dopesick« die richtigen Schwerpunkte (Meyers Ehe und deren Scheitern nimmt etwa unnötig viel Raum ein). Im Großen und Ganzen gelingt es der Serie aber durchaus überzeugend, die Unmenge an zu vermittelndem Wissen rund um medizinische, physikalische und soziologische Fakten und Zahlen über persönlich und emotional zugängliche Figuren ans Publikum zu bringen. Vollkommen unnötig scheint dagegen das ständige Springen zwischen Zeitebenen.

Dem menschlichen Zugang und dem überzeugenden Ensemble ist es zu verdanken, dass man dranbleibt an dieser im Großen und Ganzen nüchtern erzählten, aber trotzdem sehr bitteren Geschichte. Begriffen hat man den Ernst der Lage und die Botschaft dieser Serie schon nach den ersten beiden, übrigens von Barry Levinson inszenierten Folgen (für den Rest zeichnen Michael Cuesta, Patricia Riggen und Strong selbst verantwortlich). Doch es schadet kein bisschen, sich ein wenig ausführlicher die teilweise sprachlos machenden Details eines Skandals erklären zu lassen, an dem Pharmaindustrie und Ärzteschaft große Schuld tragen und das eines der größten gesellschaftlichen Probleme ist, mit dem sich vor allem die Vereinigten Staaten (wo fast doppelt so viele Menschen Opioide verschrieben bekommen wie in anderen Ländern) aktuell herumschlagen.

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