Buch-Tipp: »Die Verwegene. Jeanne Moreau. Die Biographie«

»Tagebuch einer Kammerzofe« (1964)

»Tagebuch einer Kammerzofe« (1964)

Im Besitz einer Wahrheit

»Sie konnte«, sagte der Regisseur Louis Malle über Jeanne Moreau, »von unglaublicher Schönheit sein. Aber in der nächsten Einstellung, im nächsten Augenblick veränderte sie sich vollständig. Sie besaß dabei eine Wahrheit. Sie war eine komplexe Frau.« Wie nähert sich ein Biograf einer so komplexen Frau, in deren Karriere sich neben Meisterwerken wie Louis Malles »Die Liebenden« und Luis Buñuels »Tagebuch einer Kammerzofe« auch Krypisch-Kunstiges, Abseitiges oder Vergessenes befindet? Einer Frau, die so unterschiedliche Männer wie Peter Handke und William Friedkin zu ihren Liebhabern und Ehemännern zählte? Einer Frau, die mit Intellektuellen wie Marguerite Duras befreundet war und einer ganzen Epoche durch Leben und Werk Denkanstöße gab? Jens Rosteck, der unter anderem mit Biografien über den Komponisten Hans Werner Henze und die Folksängerin Joan Baez hervorgetreten ist, wählt filmische und biografische Momentaufnahmen, »Standbilder sozusagen«. Zudem möchte er überprüfen, „ob sich die Eigenschaften, mit denen man sie in Verbindung gebracht hat, sinnvoll auf sie anwenden lassen.«

Das klingt interessant und innovativ. Tatsächlich aber ist dies eine konventionell erzählte Biografie mit Fototeil, Filmo-, Disko- und Bibliografie (leider ohne Zitatnachweise). Nicht mehr und nicht weniger. Rosteck hält sich nicht sklavisch an den Ablauf des Lebens der Schauspielerin. Aber statt der einen oder anderen ausufernden Nacherzählung von Moreaus Filmen hätte dem Buch etwas mehr historische Tiefenschärfe gut angestanden. Der Autor neigt zudem zum Zünden von Nebelkerzen, wenn er von Duras und Moreau schreibt, sie seien »De-Facto-Feministinnen« gewesen, die mit dem »real existierenden Feminismus« gehadert hätten. Wer sich daran nicht stört, wird belohnt mit einem gut lesbaren, informierten Lebensbild einer Frau, die, aus einfachen, unordentlichen Verhältnissen stammend, mittels eigener Kraft in die erste Reihe der Film- und Theaterkunst aufstieg – und sich mit all ihrer Widersprüchlichkeit und Widerständigkeit einer rechtschaffen herkömmlichen Biografie für ein bürgerliches Lesepublikum eben doch entwindet.

 

 


Jens Rosteck: Die Verwegene. Jeanne Moreau. Die Biographie. Aufbau-Verlag, Berlin 2019. 396 S., 24 €.

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