Harry Potter verdirbt die Mimik

Unsere "Steile These" des Monats Juni
Maggie Smith als Minerva McGonagall in »Harry Potter«

Maggie Smith als Minerva McGonagall in »Harry Potter«

Die Weltgeltung englischer Schauspieler fußte stets auf einer guten Ausbildung. Es waren die Ochsentour durch die Provinz und die Adelung durch Shakespeare-Aufführungen im Old Vic, die es gestandenen Mimen wie Laurence Olivier gestatteten, auch fadenscheinige Filme aus dem Souterrain des ­guten Geschmacks – »Kampf der Titanen« – zu einer lässlichen Sünde werden zu lassen.

Die »Harry Potter«-Septologie hat diese Kunst ruiniert, mit heute noch sichtbaren Folgen. Verlangt waren bei Potter nicht zuerst schauspielerische Leistungen, gefragt war das Schneiden lustiger Gesichter. David Bradley, Michael Gambon und David Thewlis haben es hierin zu besonderer Fertigkeit gebracht, und Letzterer hat bewiesen, dass ein Schauspieler sich mit ­purer Augenbrauengymnastik auch Shakespeares Duncan (in der »Macbeth«-Verfilmung von Justin Kurzel) anverwandeln kann. Zur Königin der grotesken Grimasse aber wurde Dame Maggie Smith; ihre drei Gesichtsausdrücke als Minerva McGonagall, ausgerechnet die Lehrerin für Verwandlung, sind ja auch in der Tat recht komisch. Mit diesen »drei Gesichtern einer Frau« hat sich Dame Maggie kürzlich die Rolle einer greisen Obdachlosen in »The Lady in the Van« angeeignet – Minerva in neuem Kostüm, von Verwandlungskunst so weit entfernt wie Quidditch vom Völkerball. Zur Vollendung trieb Smith die in Hogwarts erlernte Kunst der Klamotte indes in der Serie »Downton Abbey«. In der im April auf Deutsch angelaufenen letzten Staffel kann sich der Zuschauer davon überzeugen, dass drolliges Mienenspiel ohne sprechende Hüte auch eine Kunst ist – wenn auch vielleicht nicht die, an der Laurence Olivier seine Freude gehabt hätte.

Übrigens: Im November startet die Verfilmung des fiktiven hogwartsianischen Lehrbuches »Phantastische Tiere und wo sie zu finden sind«. Man darf gespannt sein, ob der englische Jungstar Eddie Redmayne sich in der Rolle des Newt Scamander als natürlicher Nachfolger von Heinz Sielmann empfiehlt, der in der Steinzeit des TV – mit einer den Minimalismus der Potter-Filme vorwegnehmenden Ausdruckskraft – zu ganz ähnlichen »Expeditionen ins Tierreich« aufgebrochen war.

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