Ein argentinisches Wochenende

Seine Figuren verstehen es, keine Umstände zu machen. In seinen Filmen trennen sich die Paare unaufhörlich, machen aber nie viel Aufheben darum. Schließlich öffnen sich dadurch neue Möglichkeiten. Und irgendwie bleibt man einander ja immer noch verbunden. Martín Rejtman ist ein Meister der filmischen Konjunktion. Auf seine Lakonie ist dabei stets Verlass.

Der Regisseur besteht darauf, es immer anders gemacht zu haben, als es im Kino seiner argentinischen Heimat üblich ist. Und doch kommt es einem so vor, als sei »Silvia Prieto« 1999 der Film einer ganzen Generation gewesen. Wären seine Filme nicht so leichthändig inszeniert, könnte man sie existenzialistisch nennen. Sie sind präzise verortet in den Straßen und den Interieurs von Buenos Aires, dabei ist ihr wahres Terrain der Schwebezustand. In den letzten Jahren hat man ihn ein wenig aus den Augen verloren, aber es scheint, als war er stets zur Stelle, wenn es darum ging, ein gesellschaftliches Klima einzufangen.

Am kommenden Wochenende, am Samstag und am Sonntag, stellt er einige seiner jüngsten Arbeiten persönlich im verdienstvoll entdeckungsfreudigen fsk in Kreuzberg vor. Darunter ist »Shakti« von 2019, der im Kurzfilmprogramm der Berlinale lief. Der DokumentarfiIm »Riders« (El Repartidor está en camino /Der Lieferant ist unterwegs) geht es um die harten Arbeitsbedingungen von Fahrrad-und Motorradboten, aber auch um Migration, vor allem aus Venezuela. »La Practica« spielt direkt in einem Nachbarland, hauptsächlich in Santiago de Chile. Die turbulente, melancholische Komödie wiederum mutet ganz entspannt an, immerhin geht es um einen Yoga-Lehrer. Vom 10. 7. an läuft sie erneut im fsk (sozusagen als Ein-Kino-Bundesstart?).

Rejtmans Filme entstehen in einer transatlantischen Ökonomie. »Rapado« (Shaved, 1992), wurde gefördert vom Hubert Bals Fond in Rotterdam und Kees Kasander, der Produzent von Peter Greenaway, fungiert als niederländischer Partner. An »Los Guantes magicos« (Die magischen Handschuhe, 2003), dessen Titel sich auf ein haarsträubend witterungsabhängiges Geschäftsmodell bezieht, beteiligten sich ZDF/arte, Pandora sowie das Filmbüro NRW; die Fernsehsender und Pandora sind bei der argentinisch-chilenischen Co-Produktion »La Practica« ebenfalls mit im Boot. Das unterstreicht, wie exportfähig die Skurrilität von Rejtmans Filmen ist. »Riders« bildet hierbei, nicht nur dank seiner dokumentarischen Form, sondern vor allem in der minuziösen Schilderung der prekären Arbeitsverhältnisse eine Ausnahme. Ansonsten bildet die wirtschaftliche Situation seiner Figuren eher ein heiteres Grundrauschen. »Rapado« ist einerseits eine Variation über De Sicas »Fahrraddiebe«, die Idee mit dem schielenden Falschgeld geht indes ganz auf Rejtmans Konto.

Mitunter verraten seine Figuren eine beträchtliche Bereitschaft, sich vom Leben herumschubsen zu lassen. Ihr Geschäftssinn ist vielmehr träumerisch und ihre Unternehmungslust gebremst. Die Frauen sind in der Regel entscheidungsfreudiger (so endet »Shakti« beispielsweise in einem hübschen Unentschieden: "Ich entschloss mich, so lange zu fahren, beis einer von uns beiden den ersten Schritt unternimmt.") Ihr Voice-over strebt nicht nach Deutungshoheit; Irrtum, Selbsttäuschung und charmante Widersprüche sind in der Selbstäußerung gleichsam eingepreist. Die Genügsamkeit bürgt indes für eine beachtliche Unverwüstlichkeit. Die Charaktere improvisieren in Bahnen, die ihnen vertraut sind. Trägheit muss nicht entmutigend sein. Buenos Aires (und nun auch Santiago de Chile) entpuppen sich als Metropolen der kurzen Wege, man begegnet sich unweigerlich wieder; insbesondere den Ex-Partnerinnen und Partnern, aber auch alten Schulfreunden (einer von ihnen heißt so wie Viscontis Szenenbildner, Mario Garbuglia). Die Namen, Personen und Objekte zirkulieren verschmitzt in Rejtmans Reigen der Identitäten. Der Zufall gehorcht einer Logik der Beiläufigkeit und der Slapstick ist immer sanft. Dieser Regisseur bleibt stets gelassen, wenn er sich selbst überrascht.

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