Interview: Alina Khan über »Joyland«

Alina Khan © Filmperlen

Alina Khan © Filmperlen

Alina Khan, Sie spielen als Transfrau und Tänzerin Biba Ihre erste Hauptrolle in einem Kinofilm. Wie kam das zustande?

Alina Khan: Der Regisseur Saim Sadiq hatte zuvor einen Kurzfilm gedreht, »Darling«, für den sollte ich dem jungen Hauptdarsteller helfen, eine Transfigur zu verkörpern. Aber mir war nicht klar, wie ich jemandem etwas so zutiefst Persönliches beibringen kann. Er hatte bereits ein paar Tänze einstudiert, aber ich habe gleich gesehen, dass das nicht funktioniert. Männer bewegen sich anders als Frauen. Und eine Transgenderfrau tanzt noch einmal ganz anders. Wenn das ein Mann imitiert, sieht es immer falsch aus, das kann man nicht lernen. Und das habe ich gesagt. Saim wollte dann, dass ich es ihm zeige, denn ich hatte ja selbst jahrelange Erfahrung als Burlesque-Tänzerin. Also tanzte ich vor. Und zwei Tage später kam ein Anruf: Ob ich die Hauptrolle spielen könne. Ich hatte noch nie vor der Kamera gestanden und freute mich einerseits, wollte aber erst mit meinen Leuten aus der Trans-Community darüber sprechen. Sie waren nicht so euphorisch wie ich, aber ich wollte die Chance nutzen, für mich persönlich, aber auch für die Sichtbarkeit von Transmenschen in Pakis­tan allgemein. Und der Erfolg hat uns recht gegeben. Der Kurzfilm wurde 2016 auf dem Filmfest Venedig ausgezeichnet.

Von diesem ersten Auftritt ist es dann aber doch ein großer Schritt zur Hauptrolle in einem Langfilm. Hatten Sie Bedenken?

Ich habe lange darüber nachgedacht. Aber mir war wichtig, das Leben einer Transperson in Pakistan authentisch darzustellen. Zuvor tauchten solche Figuren in hiesigen Filmen nur als Klischee auf, entweder naiv und schwach oder sehr negativ als »das Andere«. Und hier war diese Biba, eine dreidimensionale, menschliche Person, die für sich und ihre Freiheit kämpft. Das gab es so nie im Kino zu sehen, und ich wusste, dass es Teilen der Bevölkerung überhaupt nicht gefallen würde. 

Wie nah ist Biba an Ihren eigenen Erfahrungen?

Sie ist mir sehr nah. Auch ich stamme aus einer muslimischen Familie, bin ausgezogen und habe jahrelang als Tänzerin gearbeitet. Ich konnte mich in vielem mit ihr identifizieren, wie sie bin auch ich eine Kämpferin, ich verstehe sehr gut, dass sie für sich einsteht, für ihre Rechte kämpft. 

Wie schwierig war es, diesen Film in Pakistan zu drehen?

Ich kann da nur für mich sprechen. Ich hatte keinerlei Schauspielerfahrung, die staatlichen Ausbildungswege sind Transmenschen verschlossen. Aber ich hatte drei Monate Vorbereitung mit Privatunterricht, Saim Sadiq und die Crew haben mich da sehr unterstützt. Probleme hatten wir vor allem, nachdem der Film fertig war. Es gab massive Drohungen, auch gegen mich persönlich, ich wurde in den sozialen Medien übelst beschimpft. Einige Menschen hat es sehr wütend gemacht, dass die Transfigur einmal keine Lachnummer war, sondern als selbstverständliches Mitglied der Gesellschaft gezeigt wurde. 

Der Film hatte in Cannes 2022 Premiere, hat seitdem viele internationale Preise gewonnen. Wie waren die Reaktionen in Pakistan?

Mir war sehr wichtig, dass der Film dort zu sehen ist. Aber er wurde nur kurz in wenigen Großstädten wie Lahore und Karatschi im Kino gezeigt. Dann kam es sofort zu Protesten und Drohungen, vor allem der Mullahs, und der Film wurde gestoppt. Kaum jemand hatte »Joyland« gesehen, aber es wurde gleich behauptet, er zersetze die Moral und verführe unsere Jugend. Sie wollen nicht, dass wir als Teil dieser Gesellschaft gezeigt werden. Sie wollen die Realität nicht wahrhaben, wir sollen allenfalls als Sexworker und Bettler existieren. Ich hoffe, dass sich das irgendwann ändert und der Film gezeigt werden kann.

Zugleich war er der offizielle Kandidat Pakistans bei der Oscarverleihung 2023. Wie passt das zusammen?

Es gab Unterstützung für »Joyland«, aber der Druck der Mullahs und einiger mächtiger Männer war zu groß. Sie setzten letztlich durch, dass der Film nicht weiter öffentlich gezeigt werden konnte.

Wie hat sich Ihr Leben seit dem Film verändert? Wie und wo sehen Sie Ihre Zukunft?

Bisher lebe und arbeite ich in Pakistan. Das ist sehr schwer, aber noch ist die Situation nicht so schlimm, dass ich alles zurücklassen und in ein anderes Land ziehen will. Vor allem will ich meine Community nicht im Stich lassen, ich will mich hier für Akzeptanz einsetzen. Und ich will Transjugendliche unterstützen, damit sie weiterkämpfen und die Hoffnung nicht aufgeben. Und ich würde gern als Schauspielerin und Tänzerin arbeiten, in Filmen und im Theater, und damit für die Sichtbarkeit von Transmenschen sorgen.

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