Interview mit Robert Thalheim über seinen Film »Kundschafter des Friedens«

Robert Thalheim am Set von »Kundschafter des Friedens« (2017) ©

Foto: © Majestic Filmverleih

»Dynamo in die erste Liga«: Robert Thalheim spricht über seinen komischen Agentenfilm und DDR-Authentizität

Herr Thalheim, Sie selber stammen aus dem Westen. Wann wurden Sie der Thematik Ost-West-Spionage zum ersten Mal konfrontiert?

Nachdem ich 2004 »Netto« gedreht hatte, in dem Milan Peschel einen an der Wende gescheiterten Vater verkörperte, begann ich mich für diese Generation zu interessieren. Ich hatte die Idee, einen Film zu machen mit alten Ostlern, die sich im Westen noch einmal beweisen wollen. Schließlich kamen wir auf Geheimagenten. Ich hatte die Autobiografie des DDR-Spionagechefs Markus Wolf gelesen, dort stand, dass sie sich "Kundschafter des Friedens" nannten und dieses James-Bond-Image auch benutzten, um Leute anzuwerben.

Sie haben 2011 die Produktionsfirma Kundschafter Film gegründet. Hatten Sie diesen Film dabei schon im Kopf?

Ja, solange gibt es dieses Projekt schon. Es gab eine Grundidee, Henry Hübchen hatte schon früh Interesse signalisiert und mochte auch die Idee, den Film mit den alten DEFA-Schauspielern zu machen. Die Finanzierung war aber nicht ganz einfach: ein Film, der einerseits das Agentengenre bedient, gleichzeitig eine Komödie ist und auch etwas zur gesellschaftlichen Entwicklung sagt – dafür gibt es nicht so viele Vorbilder im deutschen Kino. Ich selber komme ja vom realistischen Erzählen – was man auch mit kleineren Budgets machen kann. Dies hier kann man aber nicht einfach so in Berlin auf der Straße drehen. Entsprechend langwierig war die Finanzierung.

Aber dass es eine Komödie sein sollte, war Ihnen von vornherein klar? Es gibt komödiantische Momente in Ihren früheren Filmen, aber keinen, den man als reine Komödie bezeichnen kann.

Das ist doch eine Komödienvereinbarung, dass jemand wie Henry Hübchen, der nur an seiner Imbissbude rumhängt, diesen Auftrag bekommt und sagen kann: "Aber nur mit meinen Leuten!" Ich wüsste gar nicht, wie man das als Drama erzählen kann. Da müsste man sich auch ernsthafter mit der Vergangenheit, mit Schuldfragen auseinandersetzen. Wir erzählen etwas, das aus der Gesellschaft herauskommt, aus dem Gegensatz West-Ost. Daraus ergeben sich viele komische Szenen. Die Frage war nur: Macht man daraus eine reine Satire wie »Hai-Alarm am Müggelsee« oder macht man einen komischen Agentenfilm, der zugleich die ernstere Seite bedient und keine reine Farce wird?

Wie sah die Zusammenarbeit mit Ihren Ko-Autor Oliver Ziegenbalg aus? Hat der die letzte Fassung geschrieben oder war er zwischendurch tätig? Hat er einen bestimmten Aspekt eingebracht?

Wir haben die letzten vier Fassungen zusammen geschrieben. Das hat mir sehr geholfen, denn er kommt ja auch ein Stück weit aus einer anderen Welt, macht auch große kommerzielle Stoffe, während ich realistisch angebunden bin. Dies sollte ja auch ein Film für ein größeres Publikum werden, den man breiter aufstellen kann, um auch mal aus seinem Festivalkreis raus zu kommen. Oli hat ja mit Filmen wie »Friendship« oder »Frau Müller muss weg« wirkliche Hits geschrieben. Er hat einfach ein tolles Gefühl fürs Publikum und einen super Humor. Auf der anderen Seite kennt er aber auch Zwischentöne und ist ein wirklicher Kinoliebhaber. Vor allem war es nach dieser langen Entwicklungszeit von vier, fünf Jahren aber wichtig, dass er uns mit seinem frischen Blick und seinem Enthusiasmus noch mal einen Anschub gegeben hat, um den Film wirklich zu realisieren.

Der Film erzählt in gewisser Weise zwei Geschichten …

… die miteinander konkurrieren: die Geschichte von Henry, dem alten Ost-Agenten, und Jürgen Prochnow, dem alten West-Agenten, die noch eine Rechnung miteinander offen haben. Und auf der anderen Seite die Truppe, Henrys Jungs. Das war ein ständiger Austarierungsprozess, bis in den Schneideraum. Man musste praktisch bei jeder Szene neu herausfinden: Ist es mehr »Olsenbande« oder mehr »Ocean’s Eleven«? Wenn Michael Gwisek vom Tisch fällt, dann kann man das Klamaukige bedienen. Auf der anderen Seite war es gut, dass Henry eine gewisse Coolness mitbrachte und nicht ständig über seine Schnürsenkel stolperte.

Die ehemaligen DDR-Agenten werden alle von Ex-Bürgern der DDR verkörpert. Hatte Winfried Glatzeder anfangs Probleme mit seiner Figur? Die weist ja Parallelen zu seiner Karriere auf, denn er hat im Westen nie an den Erfolg, den er in der DDR mit »Die Legende von Paul und Paula« hatte, anknüpfen können.

Nein, er hat sich von Anfang an total gefreut. Schon bei der ersten Lesung kam das zur Sprache, dass diese Rolle viel von dem widerspiegelt, was bei allen das Thema ist – das Altern, dass man immer noch versucht, so zu sein wie damals, das aber nicht hinbekommt. Henry Hübchen, Michael Gwisdek und Winfried Glatzeder kennen sich von früher, haben zusammen Theater gespielt. In den 70er-Jahren an der Volksbühne, da war Winfried der Star, und die anderen haben eher hinten gestanden.

Er hatte die Hauptrollen, er war im Kino präsent. Er ist ja auch schnell im Westen angekommen, hat Filme gedreht und war Tatort-Kommissar. Aber es stimmt natürlich, dass er im Moment nicht die großen Kinorollen hat, lange nicht so erfolgreich ist wie die anderen beiden. Aber er beklagt sich nicht. Damit geht er ganz offen um und diese Ehrlichkeit finde ich wirklich großartig. Aber ich bin mir sicher, wenn Leute »Kundschafter des Friedens« sehen, wird sich das noch mal verändern. Er spielt diese Rolle mit großer Würde und Tragik!

Die früheren DEFA-Schauspieler sind im deutschen Kino und Fernsehen verankert, Jürgen Prochnow dagegen hatte auch eine internationale Karriere. Konnten Sie diese Unterschiede für den Gegensatz der Figuren nutzen?

Absolut. Das ist eine ganz andere Schauspieltechnik. Durch die amerikanische Schule ist Jürgen viel filmspezifischer: Er kann sich hinstellen und seine Sätze perfekt sprechen. Die Theaterschule dagegen ist eher ein sich langsames Reinspielen in die Rolle. Da spielt man einen Take so, den nächsten anders. Man redet darüber und tastet sich langsam heran. Das zu vereinen, war manchmal nicht leicht. Aber es kam dem Film tatsächlich entgegen. Aber auch inhaltlich ist das ein Gegensatz, der der Geschichte dient. Das Gesicht von Prochnow steht nun mal einfach sofort für das internationale Kino. Da können die DEFA-Stars einfach nicht ranreichen. Und es geht den Ostagenten ja die ganze Zeit darum sich im "Westen" beweisen zu wollen. Sie ackern und machen und tun, fallen immer wieder auf die Nase und stehen wieder auf. Jürgen Prochnow hat das, wie seine Figur im Film gar nicht nötig. Er ist einfach der Held.

Es gibt ja auch eine gewisse DDR-Authentizität im Film, etwa wenn Henry Hübchen zu Beginn mit seinem Einkaufsnetz loszieht...

…und auch in Dialogen wie "Die Datsche wird ein bisschen leiden" oder "Wir bringen Dynamo in die erste Liga!". Es war mir wichtig, dass diese Dinge stimmen und nicht mit dieser Westsicht erzählt werden, dass man sich so draufsetzt und sich über die Ossis lustig macht.

 

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