Interview mit Stellan Skarsgård zu seinem aktuellen Film »Verräter wie wir«

»Verräter sind wir« (2015)

»Verräter wie wir« (2016) © Studiocanal

Stellan Skarsgård Seinen internationalen Durchbruch erlebte er mit »Breaking The Waves« (1996), da war der 1951 geborene Schwede schon fast 30 Jahre als Schauspieler im Geschäft. Von der Teenie-Serie »Bombi Bitt och jag« (1968) über »Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins« bis zu »Thor« hat sich Skarsgård eine so glänzende wie diverse Filmografie erarbeitet

epd Film: Herr Skarsgård, in »Verräter wie wir« spielen Sie einen Russen. Nicht der erste in Ihrer langen Karriere...

Stellan Skarsgård: Zu Beginn meiner internationalen Karriere wurden mir Russen quasi im Wochentakt angeboten. Das waren die 80er, das war der Kalte Krieg. Bösewichter hatten damals immer einen russischen Akzent. Aber wenn ich mich recht erinnere, habe ich außer der Rolle in »Jagd auf Roter Oktober« alle abgesagt. Allerdings stehen die Chancen gut, dass demnächst noch ein paar russische Rollen dazukommen. Schließlich befinden wir uns beinahe schon wieder in einem Kalten Krieg. Russen in Hollywood haben plötzlich wieder Hochkonjunktur (lacht).

Hatten Sie mal einen anderen Berufswunsch außer Schauspieler?

Ich wollte mal Diplomat werden. Das hatte mit meinem Landsmann Dag Ham­marskjöld zu tun. Der war in meiner Kindheit Generalsekretär der UNO. Er reiste um die Welt, bemühte sich um Frieden im Kongo. Mich hat das enorm beeindruckt, er machte seinen Job wirklich gut, soweit ich das beurteilen konnte. Und schließlich wurde er im Kongo getötet.

Damit war auch Ihr Traum von der Diplomatie geplatzt?

Nicht deswegen. Aber ich hatte schon damals die Angewohnheit, immer etwas offener und ehrlicher zu sprechen, als das in diplomatischen Kreisen vorgesehen ist.

Wie gut kommt Ihr Mangel an Diplomatie an, wenn Sie bei Regisseuren heute vorsprechen?

Ich spreche nie vor. Schon lange nicht mehr. Wenn jemand wissen möchte, ob und was ich spielen kann, kann er oder sie sich ja ein paar der rund 100 Filme angucken, die ich mittlerweile gedreht habe.

Wer Ihre Filme guckt, stellt schnell fest: Mit Nacktszenen hat Skarsgård kein Problem...

Korrekt. Ich wurde nackt geboren, hatte noch nie ein Problem mit Nacktheit und habe es auch heute nicht. Weder mit meiner eigenen noch der anderer Leute. Mein Sohn Alexander hat sich dazu neulich mal wieder im amerikanischen Fernsehen geäußert, in der Talkshow von Conan O'Brien.

Alexander stand selbst schon das eine oder andere Mal nackt vor der Kamera...

Eben, genau deswegen fragte Conan ihn, ob ihm das nie peinlich sei. Und Alexander meinte nur: »Nö, kein bisschen. Mein Vater war früher zu Hause immer nackt. Er hat sogar nackt gekocht.« (lacht) Als Conan dann entsetzt fragte, ob das nicht gefährlich sei, war Alexanders freche Antwort: »Gar nicht. So groß ist sein Ding nicht!«

Keine verletzte Eitelkeit?

Quatsch, im Gegenteil war ich stolz auf meinen Sohn. War doch ein Brüller! Ein paar Leute waren schwer empört und fragten sich, wie man so über seinen eigenen Vater sprechen könne. Aber ich habe sehr gelacht.

Ist Scham Ihnen grundsätzlich fremd?

So ist es dann auch wieder nicht. Bei »Verräter wie wir« habe ich mich zum Beispiel in Grund und Boden geschämt, als ich für eine Szene Tennis spielen musste. Vor all den Leuten! Ich habe ewig geübt, damit es zumindest so aussieht, als würde ich die Bälle irgendwie treffen. Hat aber nicht viel gebracht, deswegen musste die Szene später im Schneideraum gerettet werden. Ich fand die Sache trotzdem peinlich. Mein Partner Ewan McGregor hatte mir im Vorfeld versichert, er könne auch nicht spielen – und dann war er richtig gut. Sein Tennis war klasse, sein Körper athletisch, seine Haare schön. Bei mir war das Tennis genauso unecht wie die Haare. Nur der Bauch war original!

Sind Sie jemand, der aus der Reibung seine Kreativität gewinnt?

Ich bin am liebsten von Menschen umgeben, mit denen ich mich gut verstehe, denn Letzteres halte ich ehrlich gesagt für großen Bullshit. Nichts gegen Auseinandersetzungen, die muss es geben. Aber diese Idee, dass Konflikte nötig sind, um gute Arbeit zu leisten, finde ich auf seltsame Weise maskulin und arg überholt.

Weshalb alle Filmemacher und Kollegen von der Zusammenarbeit mit Ihnen schwärmen!

Dabei versuche ich doch mein Bestes. Ich beleidige immer irgendwen, schon weil ich so gerne über Politik und Religion spreche. Mir unerklärlich, warum die Leute trotzdem noch gerne mit mir arbeiten (lacht).

Mit niemandem haben Sie öfter gearbeitet als mit Lars von Trier...

Ja, bei Lars habe ich vollkommene Sicherheit. Er ist hinter der Kamera aber auch sehr speziell. Meistens sagt er nämlich gar nichts. Er ist nur unglaublich clever darin, selbst den größten Profi unter seinen Schauspielern wieder zum Amateur zu machen. Und das ist gerade bei seinen Filmen notwendig, denn seine Drehbücher sind unglaublich durchdacht und formvollendet geschrieben. Wenn man da von Schauspielerseite noch mehr Technik hinzufügt, dann wird daraus schnell artifizieller Mist.

Wie würden Sie Ihre Beziehung zu von Trier beschreiben?

Seit wir bei »Breaking the Waves« zum ersten Mal zusammengearbeitet haben, sind wir enge Freunde. Nein, eigentlich mehr als das. Er ist wie ein kleiner Bruder für mich. Ich liebe ihn wirklich sehr, diesen unglaublich verletzlichen, hochintelligenten und manchmal sehr depressiven Mann. Ich verbringe unglaublich gerne Zeit mit ihm, denn wir haben so viel Spaß miteinander. Sein Sinn für Humor ist wirklich einzigartig, Auch wenn er nicht immer unmissverständlich rüberkommt, wie wir alle wissen.

Wie passen Sie mit Ihrer offenen, politisch nicht immer korrekten Art eigentlich in die heile Welt des Hauses Disney mit »Fluch der Karibik« und den Marvel-Comicverfilmungen?

Das geht schon, schließlich wissen die nach sechs oder sieben gemeinsamen Filmen, woran sie bei mir sind. Aber klar, ein bisschen manövrieren muss man da schon. Bei Disney muss man zum Beispiel immer einen Benehmensvertrag unterzeichnen, eine gewisse »Morality Clause«, was klingt wie eine Erfindung aus den 50er Jahren. Da steht dann drin, dass sie das Recht haben dich zu verklagen, wenn du dich in der Öffentlichkeit blamierst. Für mich natürlich ein Unding, schließlich poche ich auf mein Recht, in der Kneipe auch mal die Hose runterzulassen!

Das klingt irgendwie unvereinbar...

Aber nur bedingt. Ich habe mir dann erst einmal erklären lassen, was gemeint ist mit dem Halbsatz »...wenn Sie die Gefühle eines maßgeblichen Anteils der Öffentlichkeit oder der Gesellschaft verletzen«. Denn von welcher Gesellschaft ist da die Rede? Der in New York? Der der Mormonen in Salt Lake City? Oder gar der in Kabul? Ich wollte da mehr Präzision. Und ich pochte auf mein verfassungsmäßiges Recht der freien Meinungsäußerung. Am Ende wurde einiges für mich umgeschrieben, von einer Vielzahl von Anwälten, dann war die Sache erledigt.

Solche Verträge unterschreibt sonst jeder?

Ja, und meistens ohne drüber nachzudenken. Wobei man natürlich auch dazusagen muss, dass Disney von diesen Dingern eigentlich nie Gebrauch macht. Ich kenne jedenfalls niemanden, der je von ihnen verklagt worden wäre. Trotzdem finde ich die Vorstellung unfassbar und widerwärtig, dass eine Firma sich anmaßt, ihren Mitarbeitern vorzuschreiben, was sie außerhalb der Arbeit tun dürfen und was nicht.

Auch einer der Gründe, warum Sie in all den Jahren nie nach Los Angeles gezogen sind?

Nein, das nicht, Disney ist schließlich nicht gleichzusetzen mit den USA. Aber seien wir mal ehrlich: Stockholm ist einfach sehr viel schöner als Hollywood. Und ich mag unser Gesellschaftskonzept. Ich zahle gerne hohe Steuern dafür, dass niemand Hunger leiden muss. Das ist doch ein super Konzept. Außerdem ist kein Staat der Welt emanzipierter als Schweden, die Kinderbetreuung und das Erziehungswesen sind ebenfalls fantastisch. Es ist zwar erschreckend, wie sehr die Neokonservativen mit ihrer Markthörigkeit gerade unseren Sozialstaat auseinandernehmen. Aber noch ist es bei uns wirklich angenehm.

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