Kritik zu Susos Turm

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Beerdigungsrituale sind bewährte dramaturgische Muster. Auch der Erstlingsfilm des spanischen Regisseurs Tom Fernández spielt mit dem tragikomischen Potenzial dieser Zeremonie

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Eigens aus Argentinien reist Cundo (Javier Cámara) nach zehnjähriger Abwesenheit an, um seinem alten Kumpel Suso, der mit einer Überdosis Heroin aus dieser Welt schied, die letzte Ehre zu erweisen. Bei seiner Mutter (Mariana Cordero) löst die Rückkehr nur wenig Freude aus, kennt sie ihren Sohn doch nur als kiffenden und trinkenden Tunichtgut. Und auch von den ehemaligen Freunden, die in dem asturischen Bergarbeiterdorf zurückgeblieben sind, wird Cundo eher mit gemischten Gefühlen begrüßt, war er doch seinerzeit bei den örtlichen Schönheiten recht beliebt. Etwa bei Rosa (Fanny Gautier), die nun die Frau seines Freundes Fernando (Gonzales de Castro) ist, und Marta (Malena Alterio), die er entjungferte, woran sich Cundo peinlicherweise nicht mehr erinnert. Als vermeintlich erfolgreicher Mann von Welt erweckt er zusätzlich das Misstrauen der Daheimgebliebenen. Doch dann knüpft man da wieder an, wo man Jahre zuvor aufgehört hat, lässt pubertäre Rituale aufleben, klaut Schnaps, besäuft sich und geht ins Bordell. Womit sich erwartungsgemäß bei den selbstbewussten Frauen des Ortes kein Eindruck schinden lässt.

Regisseur Fernández führt bis dahin, auch dank seines hervorragenden Ensembles, ein Potpourri amüsanter Szenen vor, in denen immer wieder deutlich wird, dass auch in der Provinz die Welt aus den Fugen geraten ist. Doch dann ebbt der Ideenfluss ab und der Turmbau, der nun zum zentralen Motiv wird, erscheint weniger als plausibler Teil der Handlung denn als dramaturgischer Kniff, die Geschichte wieder in Gang zu bringen: In den in Susos Haus reichlich vorhandenen Zeichnungen von Fördertürmen nämlich glaubt Cundo den letzten Willen des Verstorbenen zu erkennen, auf seinem Grundstück einen Turm zu bauen, von dem aus man die schöne nordspanische Landschaft von oben betrachten kann. Doch erst nach allerlei Widerständen kommt das sieben Meter hohe Bauwerk schließlich zustande – und mit ihm wächst Cundos Wunsch, seinem Leben eine neue Wendung zu geben. Die Plattform auf Susos Turm wird für Cundo zur Bühne, öffentlich mit seinen Lebenslügen aufzuräumen.

Was vordergründig wie eine Buddy-Komödie klingt, erweist sich tatsächlich als eine melancholisch grundierte, mit viel Understatement inszenierte Parabel über das Scheitern menschlicher Beziehungen. Denn gescheitert sind die Personen dieses Films im Grunde alle: Cundos Eltern, die sich nichts mehr zu sagen haben, sein Freund Fernando, der seiner Frau Rosa nicht zu nahekommen will und deren Ehe daher kinderlos ist, Pablo (José Luis Alcobendas), dessen Geliebte (Yalitza Hernández) im Bordell arbeitet, wo sie von Mote (César Vea), dem Vierten im Bund, regelmäßig besucht wird.

Umso überraschender, dass Fernandez seine Geschichte unvermittelt in ein Happy End münden lässt. Friede, Freude, Schwangerschaft, die bürgerliche Familie als Ziel aller Träume. Am Ende sitzen die gezähmten Machos mit ihren Familien um den Tisch. Und man fragt sich, warum Fernández mit dieser spießigen Botschaft den fröhlich-anarchischen Grundzug seines Films torpediert.

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