Kritik zu Striche ziehen

© Salzgeber

2014
Original-Titel: 
Striche ziehen
Filmstart in Deutschland: 
23.04.2015
L: 
96 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Dokumentarist Gerd Kroske erzählt in seinem neuen Film von einer verrückten west-ost-deutschen Kunstaktion, vom Punkleben in der thüringischen Provinz und von Aufbegehren, Anpassung und Verrat

Bewertung: 3
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Wild bewegte Super-8-Bilder von der Berliner Mauer, die sich seit den 80er Jahren auf ihrer Außenhaut in eine riesige Graffitileinwand verwandelte. Ein paar erst kürzlich aus Weimar nach Westberlin ausgebürgerte junge Männer fanden diese Banalisierung nicht so gut und starteten am 3. November 1986 das Projekt, die bunte Pop-Mauer mit einem durchgängigen weißen Strich symbolisch zu zerstören. Eine Aktion, die nicht so ungefährlich war, wie sie sich anhört. Denn auch die »West«-Seite der Mauer war ja offiziell Territorium der DDR. Und die schickte am zweiten Tag einen Greif­trupp, der einen der Aktivisten festsetzte.

Gerd Kroskes Dokumentation nimmt diese Kunstaktion als Ausgangspunkt, um über die Lebenswege der damals Beteiligten die Weimarer Alternativ- und Punkszene der 80er Jahre zu beleuchten. Die war im Unterschied zu ihren Berliner oder Leipziger Äquivalenten zwar kleiner und provinzieller, mit Parolensprühereien (»Macht aus dem Staat Gurkensalat«), klandestiner Punk-Disco in der Kellerwerkstatt und gegenkulturellen Debatten über Staatsgewalt und Umweltschutz aber doch sehr nah. Doch wer mit sprühlackierten blauen Haaren nach Berlin trampte, um dort Gleichgesinnte zu suchen, kam oft nicht an.

Sonstige Repressionen reichten von Schulverweisen bis zu Verhören und Verhaftungen, die den Aktivisten (eine Frau war auch dabei) klarmachten, dass es neben der Bespitzelung durch Nachbarn oder Kollegen auch einen Verräter in den eigenen Reihen geben musste. Wer das war, kam aber erst nach den Aktenöffnungen der Post-Wendezeit heraus: Der große Bruder eines der Aktivisten, der sich eher der Spaßfraktion zurechnete und der Stasi mit dem für Informanten wohl klassischen Persönlichkeitsmix aus Egoismus und Selbstüberschätzung leicht in die Falle ging.

Der 1958 in Dessau geborene und an der Potsdamer HFF ausgebildete Dokumentarfilmer Gerd Kroske hatte 1989 mit Leipzig im Herbst und später mit seiner Kehraus-Trilogie filmische Wendegeschichte geschrieben, sich dann aber etwa mit Arbeiten wie Der Boxprinz (2000) und Heino Jaeger – Look before you kuck (2012) als origineller wie gründlicher Chronist gesamtdeutscher Sujets ausgewiesen. In Striche ziehen geht er mit seinen Protagonisten an ehemalige Tat-, Verhör- und Partyorte oder trifft sie zum Gespräch an meist markanten Orten. Zeitkolorit liefern aus der Szene selbst kommende (leider sehr kurze) historische Bild- und Tondokumente, wobei die Stadt Weimar selbst visuell wenig präsent ist.

Im Lauf des Films gerät neben der Aktion »Weißer Strich« immer stärker auch der ehemalige IM Jürgen Onißeit ins Zentrum, der heute als Kletterlehrer in einem Hochseilgarten arbeitet. Am Ende versucht Kroske sogar – mit etwas unklaren Intentionen –, die beiden Brüder zu einem Gespräch in Berlin zusammenzubringen. Ein beziehungsmäßig wie filmisch wenig produktives Unterfangen, das möglichen Erkenntnisgewinn in moralischen Geplänkeln erstickt. Da bleiben wir lieber bei Maik Vollmanns Diktum im Film: »Ist einfach 'ne Pfeife. Punkt.«

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