Kritik zu Rache auf Texanisch

englisch © Focus Features

Das polarisierte Amerika und seine Podcaster: B. J. Novak reist in seinem Spielfilmdebüt als nerdiger New Yorker Journalist in den Süden der USA

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Der Titel ist ein Witz. Denn hier handelt es sich keineswegs um einen Thriller, wie man beim Stichwort »Rache« erwarten möchte. Dass der Held im Zentrum, ein New Yorker Journalist namens Ben Manalowitz (B. J. Novak) von einer Karriere als Podcaster träumt, weist bereits deutlich in Richtung Mediensatire. Aber die großen Lacher bleiben aus. Und auf wirklich gesellschaftskritische Überspitzungen hat es Novak auch nicht wirklich angesehen. Novak wurde als Schauspieler in der amerikanischen Variante der Comedy-Serie »The Office« bekannt, »Vengeance« ist seine erste Spielfilmregie, für die er auch das Drehbuch geschrieben hat.

Den von ihm selbst gespielten Haupthelden lässt er zunächst in eher schlechtem Licht erscheinen. Ben ist ein selbstverliebter und arroganter Städter, der außer einem nach Geltung strebenden Ehrgeiz nichts wirklich vorzuweisen hat. Eines Tages erreicht ihn ein Anruf aus Texas; Abilene sei tot, teilt ihm unter Tränen ein Mann namens Ty (Boyd Holbrook) mit. Ty ist der Bruder von Abilene; er geht davon aus, dass Ben Abilenes große Liebe war. Ben kann sich jedoch kaum mehr an sie erinnern. Für ihn war es nicht mehr als ein One-Night-Stand. Aber wie sagt man das einem trauernden Bruder?

Bald ist es nicht mehr nur die Pietät, die Ben davon abhält, Abilenes Familie die Wahrheit zu erzählen. Ihm kommt nämlich die Idee zu einem Podcast: Was, wenn er nun tatsächlich zu Abilenes Begräbnis nach Texas reiste, um den Ursachen ihres frühen Todes nachzuforschen? Eloise (Issa Rae), seine potenzielle Auftraggeberin, ist skeptisch, wie sich das im Genre so gehört. Aber Ben fährt trotzdem.

Was sich anbahnt, ist eine typische »fish out of water«-Geschichte: der wendige urbane Journalist unter den an ihren Waffen und ihren Bibeln hängenden Texanern. Man glaubt, es auswendig zu kennen: Vorurteile führen zu Missverständnissen, und am Ende haben beide Seiten was gelernt. Aber dann gelingt Novak doch eine etwas andere Variante davon. Sie beruht darauf, dass sowohl seine Figur als auch die der texanischen Familie, die ihn mit offenen Armen aufnimmt, die Gesetze solcher »fish out of water«-Geschichten selbst kennen.

Ty schließt Ben bald so ins Vertrauen, dass er mit seiner Überzeugung herausrückt, Abilene sei nicht, wie die Polizei angibt, einem Unfall zum Opfer gefallen, sondern ermordet worden. Einen Verdächtigen hat er schon im Blick. Er hätte gern, dass Ben mit ihm gemeinsam nun die Schwester rächt. Woraufhin der zurückgibt: »Da ziehe ich eine persönliche Linie; ich räche keine Tode. So bin ich nun mal«. 

Sein Podcast-Konzept wird dafür immer mehr »true crime«, mit dem Bonus eines Porträts des kulturellen Gefälles zwischen »red states« und »blue states«, zwischen Republikanern und Demokraten, das die USA der Gegenwart so polarisiert. Während Ben seine Überzeugungen und Vorurteile also korrigieren muss, macht der Film charmanterweise etwas anderes: Er weist gelassen darauf hin, dass viele Unterschiede auch völlig in Ordnung sind.

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