Kritik zu Marlina – Die Möderin in vier Akten

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2017
Original-Titel: 
Marlina the Murder in Four Acts
Filmstart in Deutschland: 
18.01.2018
L: 
95 Min
FSK: 
16

Mouly Surya erzählt in ihrem dritten Spielfilm eine ebenso eigenwillige wie eindrucksvolle Rachegeschichte, die den Western aus dem Geist des antiken Dramas neu erfindet

Bewertung: 4
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Die Landschaft ist karg. Im Landesinneren der kleinen indonesischen Insel Sumba gibt es nur wenig Grün. Die allgegenwärtigen Sand- und Brauntöne zeugen von der unbarmherzigen Kraft der Sonne. Ihre Strahlen dörren die Felder aus und tauchen die Insel in ein gleißendes Licht. Auch die Menschen sind von der Hitze gezeichnet. Sie wirken hart und unnahbar, als hätte die ständig vom Himmel herabbrennende Sonne sie innerlich ausgetrocknet.

Genau solche Szenarien waren einmal typisch für amerikanische wie europäische Western. Manchmal beschlich einen gar das Gefühl, der gesamte Westen sei nichts als ein riesiges Tal des Todes. Reale Landschaften wurden so zu mythischen Kulissen, vor denen sich archaische Dramen abspielten. Ein Drama von fast schon antiker Wucht breitet auch die indonesische Filmemacherin Mouly Surya in »Marlina – Die Mörderin in vier Akten« aus. Das hat ihrem Film natürlich einige Westernvergleiche und das wohl unvermeidliche Label »Satay Western« eingetragen. Doch letztlich verbindet Marlinas Odyssee durch die sonnenverbrannten Ebenen Sumbas nur wenig mit dem Genre; Suryas dritter Spielfilm erinnert eher an griechische Rachetragödien wie Elektra und Medea. Allerdings neigt Surya auch zum Surrealen und bricht so das Archaische ihrer Erzählung wieder auf.

Seit dem Tod ihres Mannes lebt Marlina (Marsha Timothy) allein auf ihrem kleinen Hof. Für Männer wie Markus (Egy Fedly), der mit seinen Freunden über die Insel marodiert, ist sie deshalb leichte Beute. Er steht eines Tages vor Marlina und kündigt ihr an, dass er ihre Tiere stehlen und sie gemeinsam mit seinen sechs Kumpanen vergewaltigen wird. Vorher soll sie ihnen aber noch eine Hühnersuppe kochen. So bietet sich der Witwe eine letzte Chance. Sie vergiftet das Essen. Aber das schützt sie nicht vor Markus, der die Suppe stehen lässt und sich auf Marlina stürzt.

Ein einziger Hieb mit einer Machete verändert alles in Mouly Suryas bitterem Por­trät einer durch und durch patriarchalischen Gesellschaft. Im Kampf um ihr Leben wird Marlina zur Mörderin. Doch ihre Morde sind Akte der Befreiung. »Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht«, heißt es in Brechts Heiliger Johanna der Schlachthöfe. Und wie einst Brecht schickt auch Surya ihre Heldin ins dunkle Herz ihrer Welt. Marlina will nach dem Überfall Gerechtigkeit. Aber die gibt es für Frauen auf Sumba nicht. Der Polizist, dem sie von den Ereignissen berichten will, interessiert sich nicht für die Vergewaltigung; auch die meisten anderen Männer, denen sie begegnet, machen aus ihrer Verachtung für Frauen kein Hehl.

Marlina ist komplett allein. Nur die schwangere Novi und ein kleines Mädchen stehen auf ihrer Seite. Die Einsamkeit und Schutzlosigkeit der Frauen setzen Mouly Sur­ya und ihr Kameramann Yunus Pasolang auf atemberaubende Weise in Szene. In grandiosen Totalen betont Pasolang die mythische Dimension der Insellandschaft. Sumbas Felder und Hügel haben etwas Feindliches und Bedrohliches. Nirgendwo können Marlina und Novi Zuflucht finden. Es gibt kein Entkommen. Aber darin liegt letztlich etwas Erlösendes. Sie müssen selbst handeln und erlangen dadurch erstmals Macht über ihr Leben.

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