Kritik zu Lichter der Vorstadt

© Pandora Film Verleih

Ein Melodram von Aki Kaurismäki

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Eine Meditation über Einsamkeit. Die märchenhaft wahre Erzählung von einer verwunschenen Welt. Ein B-Picture-Krimi mit Femme fatale und Happy End. All das ist Aki Kaurismäkis neuer Film, den er so klar, schön und ergreifend wie selten erzählt. Im Zentrum des Geschehens: ein Mann, der so einsam ist, dass er für die Frau, die sich zu ihm an den Tisch der Kantine setzt, alles tun will. Selbst dann noch, als ihm klar wird, dass sie ihn in eine Falle gelockt hat.

Der Mann heißt Koistinen, arbeitet als Wachmann in einer Shopping-Mall, dreht seine Runden in diesem postmodernen Tempel der Konsumgesellschaft wie ein solitärer Satellit. Bei den Kollegen trifft er bestenfalls auf abschätzige, misstrauische Blicke. Seine Welt ist derart leer geräumt, dass ihm die blonde Frau, die ihn anspricht, wie ein Engel erscheinen muss. Er glaubt, dass es Liebe sein könnte, aber es ist ein Komplott. Die Blondine namens Mirja – Kaurismäki nennt sie überschwänglich »die kälteste Femme fatale, die seit »All About Eve« von Joseph L. Mankiewicz das Licht der Leinwand erblickt hat« – agiert als Lockvogel eines Gangsters, der einen Juwelenraub im Einkaufszentrum plant.

Die Einsamkeit macht Koistinen blind. Er tappt in die Falle und mag sich nicht eingestehen, dass Mirjas Avancen bloße Berechnung sind. Vor allem übersieht er, dass die andere Frau, die ihm an der Imbissbude geduldig zuhört, Aila, tatsächlich sein rettender Engel sein könnte. Eine klassische Konstellation: der Mann, der falschen Verlockungen folgt und die wahre Sprache des Herzens nicht versteht.

Kaurismäki konzentriert sich bei allem - bei der Erzählung, den Bildern, den Farben – auf das Essenzielle. Das Drama wird – sozusagen anti-dramatisch – in eine lakonische, elliptische Erzählweise eingebettet. Die Bilder sind komponiert wie Stillleben oder Porträts. Die Farbgebung variiert das Spiel mit Blau (Einsamkeit) und Rot (Leidenschaft) in jedem Dekor, jedem Kostüm. Die Dialoge formulieren direkt und knapp, wie Statements. Kleist träumte davon, dass in der künstlerischen Darstellung höchstes Raffinement und schlichte Naivität eins werden könnten. Kaurismäki gelingt dies. Wenn er einen Teller filmt oder einen Rockmusiker, oder einen Blick, der ins Leere geht, so hat das zugleich simple Evidenz und die Großartigkeit einer Welterfindung.

Einmal erklärt der Gangsterboss, der im Luxusappartement eines Glas-Stahl-Hochhauses residiert, warum er Koistinen als ideales Opfer auserkoren hat: »Er ist vertrauensselig wie ein Hund, ein romantischer Trottel. Mein Genie ist, das zu erkennen!« In diesen Worten fasst der Film zusammen, was er über das Herrschaftsprinzip dieser Welt zu sagen hat: Ausbeutung, Berechnung, Zynismus feiern sich als höchste Tugenden. Den utopischen Gegenentwurf liefert am Schluss ein einziges, herzzerreißendes Bild, auf das der ganze Film hinarbeitet: zwei Hände, die einander finden.

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