Kritik zu Here to Be Heard: The Story of The Slits

englisch © Molasses Manifesto

Drin ist, was draufsteht: Der Dokumentarfilm erzählt die Geschichte der Frauenband, neben der die Sex Pistols »wie Chorknaben« aussahen

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»Es war abenteuerlich, es war anarchisch – und es war weiblich,« sagt Tessa Pollitt, die Bassistin der Slits, einmal. Es war auch, wie viele gute Dinge, flüchtig. Die Band, die 1977 aus demselben Sumpf gekrochen war wie The Clash und die Sex Pistols, machte nur zwei Studioalben und löste sich nach fünf Jahren auf; als sie sich 2005 reformierte, hatten Frauen im Pop einen anderen Stand. Die erste LP der Slits, »Cut«, gilt als eine der wichtigsten des Punk, und sie hört sich heute noch aufregend an: dynamisch und zugleich rissig, mit herausfordernden jungen Frauenstimmen, die zum Ladendiebstahl auffordern, mit plinkernder Gitarre und schepperndem Schlagzeug – »Never Mind the Bollocks« von den Sex Pistols wirkt dagegen überinstrumentiert. Die ganz eigene Slits-Ästhetik muss aber vor allem live gewirkt haben: Die Mädchen mit den Anti-Frisuren und Flohmarkt-Outfits performten, als gäbe es kein Morgen – allen voran die 2010 gestorbene Leadsängerin Ari Up, die mit vierzehn zu den Slits stieß und sich bewegte wie ein Kranich im Dada-Modus.

Die flackernden Aufnahmen früher Club-Gigs und die fantastisch hemmungslosen Home Movies der Band – beim Zetrümmern eines Autos, am Strand, auf Tour mit The Clash und den Buzzcocks – sind denn auch das Pfund, mit dem die Doku von William E. Badgley wuchern kann. Das Artwork des Films passt sich dem Scrapbook mit Zeitungsausschnitten und Fotos an, das Tessa Pollitt leitmotivisch durchblättert. Mit ihr erinnern sich die Bandgründerin Paloma McLardy – Palmolive – und die Gitarristin Viv Albertine, die als Filmemacherin, Musikerin und Autorin die stabilste Post-Slits-Karriere hatte; vor zwei Jahren hat sie eine erfolgreiche Autobiografie veröffentlicht (deutsch »A Typical Girl«), und sie spielte in Joanna Hoggs »Exhibition«. Der Status der Slits, die Dimension ihrer Revolte, wird zusätzlich zementiert durch Statements von Weggefährten und Kulturwissenschaftlerinnen. Die geben dem Film, der sanft über Krisen, Kräche und Widersprüche hinweggleitet, etwas unnötig Legitimatorisches. »Here to Be Heard« ist ein notwendiges Stück Pop­geschichtsschreibung. Es hätte aber etwas »rissiger« sein dürfen.

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