Kritik zu Ein nasser Hund

© Warner Bros. Pictures

Damir Lukačević erzählt in seinem Berliner Straßenfilm von einem iranischen Juden, der sich in einer ethnisch gemischten Gang seinen Platz sucht und dabei auf religiöse Toleranz hofft

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»Für die Deutschen bin ich ein Kanake, für die Türken ein Jude und für die Israelis ein Terrorist«, so beschreibt der 16-jährige Iraner Soheil seine Lebensrealität in Berlin. Nach dem beschaulichen Göttingen ist nun der Wedding sein Zuhause, eine Szene, die ihm gänzlich fremd ist. Auf dem Fußballplatz muss er feststellen, dass das Ballspiel zweitrangig ist, denn hier trifft sich eine Straßengang, die sich selbst zuerst durch den Widerspruch definiert. Da sind zum einen die Eltern, die sich für ihre Kinder einen ganz spezifischen Lebensweg vorstellen, den es in Deutschland für sie gar nicht gibt. Dann die deutsche etablierte Gesellschaft, die sie zwar wahrnimmt, ihnen aber jegliche Chancen verweigert, einmal wirklich dazuzugehören, und dann die Gangs aus den anderen Vierteln, die Feindschaft anhand fiktiver Segregationslinien aufbauen. So kommt es, dass die Weddinger die Kreuzberger hassen, unter sich aber Freundschaften zwischen Türken und Kurden zulassen können. Soheil muss aber schnell erkennen, dass das nicht für Juden gilt. Deshalb legt er den Davidstern ebenso schnell wieder ab, wie er ihn, in der Hoffnung auf interkulturelle Toleranz, angelegt hatte.

Soheil lernt schnell. Er passt seine Sprache dem Straßenslang an, zieht mit der Gang um die Häuser und beginnt sich als Sprayer zu betätigen. Seine Tags sind cool, King Star ist sein Pseudonym. Er will unbedingt dazugehören, sticht bei einer Schlägerei mit den Kreuzbergern als Erster zu und verletzt seinen Gegner am Bein. Die Rache lässt nicht lange auf sich warten.

Aber sein Status in der Gang wächst. Das Mädchen seiner Träume erhört ihn und alle sagen »Bruder« zu ihm. Um nicht weiter aufzufallen, geht er sogar mit in die Moschee. Doch eines Tages holt seine Freundin ein Kleid in der Schneiderei des Vaters ab und trifft dort auf die jüdischen Verwandten aus Tel Aviv. Bevor es sich rumspricht, outet er sich offen als Jude und steht plötzlich zwischen allen Fronten. Aber er will kämpfen für seine Identität, notfalls auch als Soldat in Israel.

Damir Lukačević kam als Vierjähriger mit seinen Eltern aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland und drehte schon während der Schulzeit Super-8-Filme. Immer wieder wird die Frage von Heimat und Identität thematisiert, vor dem Hintergrund ethnischer und religiöser Unterschiede. Bei der Arbeit an seiner Dokumentation »Willst Du Stress oder was?« über die Lebenswelten von Jugendlichen im Wedding, entdeckte Lukačević die Autobiografie von Arye Sharuz Shalicar »Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude«. Darin schildert der ehemalige Hip-Hopper seine Jugend als Jude unter Muslimen im Wedding. Sein Film ist in den bestimmenden Rollen mit Laien besetzt, die sich zum Großteil selber spielen. Dadurch gewinnt der Film eine große Authentizität bei gleichzeitiger dramatischer Schärfe und bleibt nicht auf der Ebene eines bewegenden Sozialdramas im Fernsehformat, das Lukačević durchaus auch bedienen kann, stecken.

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