Kritik zu Die Lügen der Sieger

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Ein engagierter Journalist wird zum Spielball von Lobbyisten: Christoph Hochhäuslers vierter Kinofilm nähert sich der Wirklichkeit mit den Mitteln des Politthrillers und entwirft dabei das Bild einer Welt, in der jeder Beobachter und Beobachteter ist

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»Es geht los!«, dieser offene, nichts erklärende letzte Satz aus Unter dir die Stadt fällt auch in Christoph Hochhäuslers neuem Film, dem Polit- und Paranoiathriller Die Lügen der Sieger. Und wieder entzieht er sich einer klaren Deutung. Aus dem Mund des dreisten Geschäftsmanns, der ihn bei einem Essen mit dem deutschen Wirtschaftsminister ausspricht, klingt er nach einer Drohung. Er könnte aber auch ein Versprechen sein.

Es geht los. Das Gefühl, dass etwas im Gang ist, aber kaum einer weiß, was wirklich geschieht, erfüllt alle Filme von Christoph Hochhäusler. Da ist etwas, das sich dem Zugriff entzieht. Was bleibt, ist eine vage Ahnung von dem, was vielleicht kommen wird, aber mehr noch ein überwältigender Eindruck von Hilflosigkeit. Doch den verdrängt der ruhelose Enthüllungsjournalist Fabian Groys einfach. Für ihn, der im Hauptstadtbüro eines Nachrichtenmagazins arbeitet, ist es letztlich nur ein Spiel, also eine Frage des Timings und des richtigen Einsatzes. Und wenn ihm alles zu entgleiten scheint, bleibt ihm immer noch der illegale Underground-Spielclub, in dem er sein Schicksal den Würfeln überlässt. Kontrollieren lassen sich die Welt und das Leben sowieso nicht. Doch genau diese Haltung ist es, die den von Florian David Fitz gespielten Journalisten offenen Auges in eine Falle laufen lässt.

Groys arbeitet seit einiger Zeit an einer großen Story über die Bundeswehr. Einen Insider, der ihn mit Informationen versorgen will, hat er auch. Doch der ziert sich. Der Einzelgänger Groys wird von seinem Redakteur gezwungen, mit Nadja (Lilith Stangenberg), einer ehrgeizigen Volontärin, zusammenzuarbeiten. Um sie möglichst schnell wieder loszuwerden, schickt Groys die junge Journalistin nach Gelsenkirchen. Dort ist im Zoo ein Mann ins Löwengehege gesprungen und hat sich so umgebracht. Eine klassische Sensationsnachricht aus einem Boulevardblatt. Aber hinter ihr verbirgt sich eine Story, die alles verändern könnte.

Hochhäusler lässt sich Zeit. Die Geschichte der beiden Journalisten mäandert zunächst hin und her und scheint kurz davor, sich im Ungefähren zu verlieren. Dazwischen dann immer Szenen von einer kleinen Lobbyisten-Gruppe, die eine Abstimmung im Bundestag im Sinne ihres Klienten beeinflussen sollen.

Motive und Topoi aus schmutzigen Films noirs wie Richard Brooks' Deadline – U.S.A. und engagierten Politthrillern wie Alan J. Pakulas Die Unbestechlichen blitzen permanent auf. Aber ihre Zeit ist vorüber. Das Gefühl, in jedem Augenblick beobachtet und wahrscheinlich auch manipuliert zu werden, ist mittlerweile so stark, dass es alles andere überschattet. Also porträtiert Hochhäusler eine Welt, in der die Geschichten ebenso offen sind wie seine Bilder. Immer wieder hat man den Eindruck, dass die Kamera die beiden Hauptdarsteller beobachtet und überwacht. Aber wer auf der anderen Seite sitzt und zusieht, ist längst nicht so klar, wie es zunächst den Anschein hat. Die Beobachter beobachten, das ist alles, was noch bleibt, und natürlich wird man dabei selbst wieder beobachtet.

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