Kritik zu Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit

© Entertainment One

2018
Original-Titel: 
On the Basis of Sex
Filmstart in Deutschland: 
07.03.2019
L: 
120 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Nach dem Dokumentarfilm »RGB« kommt nun die Spielfilmversion über das Leben von Ruth Bader Ginsburg und ihre Karriere im männerdominierten amerikanischen Anwalts- und Richterwesen ins Kino

Bewertung: 3
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Staunen liegt im Blick der jungen Frau zwischen all den Männern, die in das Gebäude streben. Als sie endlich sitzen, nimmt ihr umherschweifender Blick immerhin zwei andere Frauen wahr. Man schreibt das Jahr 1956, seit sechs Jahren dürfen an der amerikanischen Elite-Universität Harvard auch Frauen Jura studieren. Anlass genug für den Dekan, die neun Frauen (unter 500 Männern) des Jahrgangs zu einem Abendessen zu sich nach Hause einzuladen. Dort befragt, warum sie Jura studieren wollten, erklärt eine, sie wollte keinen der typischen Frauenberufe ergreifen – »Nicht gut genug!« kanzelt der Dekan sie ab. Woraufhin Ruth (Felicity Jones), als Nächste an der Reihe, erklärt, sie studiere, um damit ihren Mann, der ein Semester über ihr sei, besser unterstützen, kurzum, ihm eine bessere Ehefrau sein zu können.

Knapp und präzise umreißt der Film zu Beginn seine Protagonistin und das männlich dominierte Umfeld, in das sie sich begibt. Als Kontrast fungiert ihre Ehe mit Marty (Armie Hammer), den wir zum ersten Mal am Küchentisch sehen, die neugeborene Tochter fütternd. Hammer spielt ihn angenehm zurückhaltend, wie sich überhaupt der ganze Film bemüht, allzu großes Pathos zu vermeiden, was zumal beim Finale im Gerichtssaal schon als Leistung anzusehen ist.

»Die Berufung« erzählt die – wahre – Geschichte einer überaus willensstarken Frau, die sich in einer Männerwelt durchzusetzen versucht und der dabei immer wieder Steine in den Weg gelegt werden – da hilft es auch nichts, dass sie ihr Studium als Jahrgangsbeste beendet. Dreizehn Absagen von renommierten Anwaltskanzleien kassiert sie anschließend, wird aber immerhin als Professorin nach Harvard berufen – besser eine Frau als ein Farbiger, lautete die Argumentation, erzählt sie mit Bitterkeit ihrem Ehemann. Für den hat sie übrigens zu Beginn ihres Studiums, als bei ihm Krebs diagnostiziert wurde, zusätzlich seine Seminare belegt und ist anschließend mit ihm zu Hause den Stoff durchgegangen.

Ihre Chance, etwas zu verändern, kommt mit einem scheinbar kleinen Fall in der Provinz: einem unverheirateten Mann wird es verwehrt, die Pflege seiner Mutter als Steuerabzug geltend zu machen – Pflege sei ausschließlich Sache von Frauen. So wird der Fall der Diskriminierung eines Mannes zum Hebel, die Ungleichheit von Frauen vor dem Gesetz an die Öffentlichkeit zu bringen. Im Prozess vor dem Berufungsgericht hat Ruth pikanterweise ihren Dekan von der Columbia University gegen sich – und generell mächtige und gut vernetzte Anwälte, die etwa den Zugriff auf den Computer des Pentagon nutzen, um alle Gesetze herauszusuchen, in denen es um den Unterschied zwischen Mann und Frau geht – 187 sind es schließlich. Am Ende aber verfängt auch dieses Argument nicht vor den drei Richtern – nachdem Ruth ihr Plädoyer genutzt hat für eine improvisierte Rede mit zahlreichen Verweisen auf frühere Gerichtsurteile, die Frauen diskriminierten.

Mit dem deutschen Untertitel »Ihr Kampf für Gerechtigkeit« und dem ungleich präg­nanteren Originaltitel »On the Basis of Sex« ist dieser Film, geschrieben von einem Neffen der echten Ruth Bader Ginsburg, das fiktionale Gegenstück zum Dokumentarfilm »RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit«, der erst vor drei Monaten in den deutschen Kinos anlief und das ganze Leben der von Bill Clinton ans Oberste Bundesgericht berufenen Frau zeigte.

Genau das ist auch sein Problem: wer die wirkliche Ruth Bader Ginsburg in diesem Film erlebt hat, der wird sich schwertun mit Felicity Jones als ihrer fiktionalen Repräsentantin. Zu glatt wirkt sie im Vergleich zu der kleinen Frau mit der großen Brille, die auch im Alter von 85 Jahren nichts von ihrem Witz und ihrer Streitlust verloren hat – und von deren Persönlichkeit in diesem Film eher etwas in der von Kathy Bates verkörperten älteren Anwältin zu spüren ist. Vielleicht aber erreicht der Spielfilm ein Publikum, dem der Name von Ginsburg und das, wofür sie steht, bislang wenig bekannt war.

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