Kritik zu Der blinde Fleck

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Ein Reporter gegen die Staatsmacht: Daniel Harrich erzählt mit Benno Fürmann in der Hauptrolle die Geschichte des Journalisten Ulrich Chaussy, der Beweise gegen die Einzeltätertheorie beim Müncher Oktoberfestattentat sammelte

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Dreizehn Menschen starben und 211 weitere wurden zum Teil schwer verletzt, als am 26. September 1980 beim Münchner Oktoberfest eine Bombe explodierte. Einer der Toten war der 21-jährige Student Gundolf Köhler, der schnell als Täter identifiziert und schließlich als Einzelgänger eingestuft wurde, der aus persönlichen Motiven gehandelt hatte. Aber war es wirklich so? Einer, der Zweifel daran anmeldete, war Ulrich Chaussy, Journalist beim Hörfunkprogramm des Bayrischen Rundfunks. Chaussy ist der Protagonist des Films »Der blinde Fleck«, der auf seinem Buch »Oktoberfest: ein Attentat« basiert. Das Drehbuch hat Chaussy zusammen mit Regisseur Daniel Harrich geschrieben.

Der Film folgt den Regeln des klassischen Politthrillers, bei dem die Staatsorgane die Wahrheit vertuschen und nur ein aufrechter Journalist hartnäckig nachbohrt. Er spricht mit Augenzeugen, deren Aussagen sich nicht in den Abschlussberichten wiederfanden, er erfährt Unterstützung von einem Informanten, er muss sich die Vorwürfe seiner Ehefrau anhören, dass er von der Sache besessen sei und erlebt, wie man ihn auf dem Fahrrad mit dem Auto zu überfahren versucht – oder ist das nur seine Paranoia?

Gleich drei »Tatort«-Kommissare vereint »Der blinde Fleck«: Jörg Hartmann als Anwalt Werner Dietrich, der beharrlich die Sache der Opfer vertritt, Miroslav Nemec als Generalbundesanwalt Kurt Rebmann, der die Wahrheit nicht wahrhaben will, und sein Kollege Udo Wachtveitl als Boulevardzeitungsjournalist Werner Winter, der einen Deal mit den Behörden macht. Er hat die wohl beste Szene im Film; am Tresen einer Kneipe klärt er seinen Kollegen Chaussy darüber auf, wie es läuft: Man bekommt Exklusivinformationen von höchster Stelle und bedankt sich dafür mit einer Berichterstattung, die auf die aktuellen Interessen der Staatsorgane Rücksicht nimmt. Der damalige Ministerpräsident Franz-Josef Strauß wird übrigens nur von hinten gezeigt. So wird im 1983 vorgelegten Abschlussbericht die These vom verwirrten Einzeltäter bekräftigt und werden alle Verbindungen zur rechten Szene, speziell der Wehrsportgruppe Hoffmann, geleugnet.

Den obersten bayrischen Staatsschützer Hans Langemann verkörpert Heiner Lauterbach als einen, der glaubt, mit seinen Methoden seinem Land zu dienen. Damit gibt er eine interessantere Figur ab als Benno Fürmann in der Rolle Chaussys, der eher eindimensional ausfällt. Gerne hätte man etwa erfahren, wie denn der Bayerische Rundfunk zu Chaussys Arbeit stand. Und was war mit seinen Kollegen? Nein, Chaussy ist hier der einsame Wolf, der im Verlauf der Geschichte bei dem Anwalt, der ihn manchmal begleitet, eher Verständnis findet als bei seiner Ehefrau. Von Coppolas »The Conversation« und dem Interesse, das die Figur Gene Hackmans auslöste, ist »Der blinde Fleck« weit entfernt. Aber das war wohl auch nicht sein Anliegen. Am Ende sind dem Zuschauer die Parallelen zur Mordserie der NSU im Hinblick auf die Ignoranz der Ermittler jedenfalls deutlich geworden. Darüber hinaus funktioniert der Film auch als Darstellung des investigativen Journalismus vor den Zeiten des Internets.

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