Kritik zu Bonjour Sagan

französisch © Verleih

Ein »kleines Monster«, ein weiblicher Dandy, eine Ikone der Vor-Achtundsechziger-Zeit: Das Biopic zu Françoise Sagan mit Silvie Testud in der Rolle der französischen Schriftstellerin

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Mit 18 Jahren veröffentlichte Françoise Quoirez 1954 unter dem Pseudonym Sagan mit »Bonjour Tristesse« einen Roman über Liebe und fatale Kabale, der zum weltweiten Bestseller wurde. Anfangs wollte niemand glauben, dass dieses schmale Buch mit seinem sarkastisch-melancholischen Gefühlsdurchblick statt von einer vom Leben gezausten Frau von einer kleinen Pariser Literaturstudentin verfasst worden war. Sagans Romane erreichten bald weltweit eine Auflage von über 30 Millionen. Privat setzte das Wunderkind alles daran, die Altklugheit ihres Debüts in der Realität nachzuholen, machte durch Casino-Zockerei, Amouren, Drogen und in den letzten Lebensjahren auch durch Steuerschulden und ihre Verwicklung in einen Korruptionsskandal von sich reden.

Die unprätentiöse Sylvie Testud verkörpert Sagan und ihr gelingt eine instinktive Einfühlung in die Modernität und Verletzlichkeit des »kleinen Monsters«. Statt als Blaustrumpf verkörpert sie die losgelassene höhere Tochter als reuelose Genießerin im Maserati, die mit männlich anmutender »désinvolture« linke und rechte Rollenerwartungen sowie jegliches haushalterisch-ökonomisches Verhalten etwa hinsichtlich ihrer Gesundheit königlich ignorierte. Ihre Sagan ist ein zartes Vögelchen von nonchalanter Höflichkeit und charmanter Hibbeligkeit, das von Zigaretten, Whisky und zunehmend auch von Kokain lebt und selbst in prekärster Lage einen Mund wie ein Schwert hat.

Indes, so originell dieses Porträt eines weiblichen Dandys ist, der die totale Freiheit behauptet und tatsächlich der Sklave von Drogen und Freundschaften ist: Regisseurin Diane Kurys findet weder Bilder für Sagans Talent noch für ihre Wirkung. Das will (oder kann) der Film, von einem Fernsehzweiteiler auf Kinoformat aufgeblasen, womöglich auch gar nicht, doch er bietet der Figur schlicht nicht genug Bodenhaftung. So gibt es zwar Streiflichter auf Sagans bisexuelle Beziehungen, aber keine Spur etwa von den inspirierenden Freundschaften zu Sartre, Mitterrand und anderen Größen. »Die« Sagan, mit ihrem androgynen Kurzhaarschnitt, Jeans und Matrosenpulli auch modisch ein Trendsetter, war in der Vor-68-Epoche eine Ikone und galt im Nachhinein als Feministin »avant la lettre «; heute würde man sie »cool« nennen. Davon bleibt in den Schnappschüssen dieses Insiderfilms wenig übrig, und es ist schon seltsam, dass hier nach der Piaf-Hommage La vie en rose zum zweiten Mal eine Künstlerin auf die Rolle einer selbstzerstörerischen Schmerzensfrau reduziert wird. Übrigens wird auch ihre Rolle in dem Elf-Aquitaine-Korruptionsfall in einem Nebensatz abgehakt.

Sagans quasi aristokratische Nonchalance hinsichtlich des schnöden Mammons – tatsächlich hinterließ sie ihrem Sohn Denis Westhoff Millionen Schulden – wirkt gelegentlich hinreißend. Der Film aber, der Sagans Weigerung, ihr Leben spießig-buchhalterisch zu führen, in der Inszenierung aufnimmt und sich weigert, Fakten und Lebensstationen kleinkariert abzuhaken, präsentiert Sagan letztlich nur als Klischee.

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