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Überleben in Havanna: Ein »schwieriges« Kind steht im Mittelpunkt des Films des Kubaners Ernesto Daranas

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Wenn die Kinder vor dem Unterricht die kubanische Nationalhymne singen, skandieren sie: »Wir werden stark sein wie Che!« Das ist eigentlich das einzige signifikante politische Statement in diesem Film, der viel mehr vom Überleben und Durchwursteln handelt, in einer Stadt, die genauso verfällt wie das politische System, das seine Bewohner kaum mehr ernähren kann. Chala, ein elfjähriger Junge, muss in Havanna für seine Mutter sorgen, die alkohol- und drogenkrank mehr abwesend ist als dass sie sich um die Erziehung ihres Sohnes kümmert. Über den Dächern der Stadt züchtet Chala Tauben – und pflegt Hunde, die für Wetten in den Kampf geschickt werden.

Chala ist kein einfaches Kind. Bei aller Sympathie, die auch von dem großartigen Darsteller Armando Valdés Freire ausgeht, merkt man immer: Dieser Chala würde wahrscheinlich überall anecken. Einer, der keinem Streit und keiner Rangelei ausweicht, bereit auch für Mutproben mit den älteren Schülern. Seine große Förderin und Beschützerin ist seine Lehrerin Carmela, schon längst über die Pensionsgrenze hinaus. Der Schul- und Sozialbürokratie ist Chala bereits aufgefallen, er wird in ein Erziehungsheim abgeschoben. Da allerdings holt ihn Carmela wieder heraus, mit den Worten, noch nie sei aus ihrer Klasse ein Kind im Heim gelandet.

»Conducta« ist eine Ode an den zivilen Ungehorsam. Regeln müssen auch einmal gebrochen werden, dazu sind sie da in der Schule des Lebens. Einmal heftet Yeni, die Musterschülerin der Klasse, ein Heiligenbildchen an das Schwarze Brett der Klasse, aus Trauer um den verstorbenen Mann Carmelas. Das ist natürlich ein Skandalon, doch Carmela will es nicht entfernen, auch nicht vor der Schulinspektion. Aber auch Yeni ist ein Sorgenkind: Sie hält sich zusammen mit ihrem Vater illegal in Havanna auf, kommt aus der Provinz Holguín, der Zuzug in die Großstadt ist streng reguliert.

Es ist erstaunlich, wie genau und authentisch beobachtet der Alltag in Havanna in diesem Film wirkt, der entstanden ist unter den Augen der Zensur, ja, sogar der Schulbehörde. Ernesto Daranas hat ihn größtenteils mit Laien realisiert als ein Werkstattprojekt mit Filmstudierenden. Da ist von politischen Gefangenen die Rede, von zerstörten Familien, von der Sturheit der Bürokratie, von Drogen und illegaler Zockerei. »Conducta« beschreibt eine Gesellschaft in Agonie. »Und es sind einfach zu viele Jahre mit diesem Scheiß hier«, sagt Carmela einmal.

Auch visuell sucht Daranas nicht nach den Schönheiten im Elend, wie das manche Kubafilme getan haben. Immer wieder spielen Chala und seine Freunde auf den Schienen der Eisenbahn, auf denen fast symbolisch wie ferngesteuert die Züge fahren. Selbst wenn Chala auf seinem Dach steht und unter ihm die Stadt liegt, sieht das alles andere als majestätisch aus. Da verzeiht man  dem Film auch die Liebesgeschichte (Elfjährige?) zwischen Chala und Yeni, deren lockige Haare im Gegenlicht allzu dekorativ wehen.

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