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In »Wie im Himmel« hatte die junge Kassiererin Lena von ihrer großen Liebe, dem Chorleiter Daniel, Abschied nehmen müssen. Jetzt setzt Regisseur Kay Pollak seine gefühlvolle Geschichte fort: Lena soll in einer Dorfkirche selbst ein Chorevent leiten – und mischt das protestantische Establishment auf

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»Wie im Himmel« durfte sich Kay Pollak vor zehn Jahren fühlen, als sein Film mit diesem Titel zum europaweiten Kinohit und obendrein in der Kategorie »Bester fremdsprachiger Film« für den Oscar nominiert wurde. Nun erzählt der schwedische Regisseur die Geschichte des Dorfkirchenchors im hohen Norden weiter. »Wie auf Erden« heißt das Werk und bleibt nicht nur mit der vom »Vater unser« gesteuerten Logik in der Spur des Erstlings.

In »Wie im Himmel« wollte der weltberühmte Dirigent Daniel Daréus eigentlich einem Burn-out und dem Dauerstress seines Metiers entfliehen. Inkognito nistete er sich in seinem nordschwedischen Heimatdorf ein, wollte dem Nichtstun frönen und übernahm schließlich doch den örtlichen Kirchenchor, wenn auch höchst unwillig.

Das durchschnittliche Amateurensemble, in dem sich die Intrigen und Konflikte des Dorfes spiegeln, lässt Daniel im wahrsten Sinne des Wortes aufbrechen. Er selbst und seine Chorleute begreifen, wie man Angst und Misstrauen besiegen, einander lieben und schließlich aus vollem Herzen miteinander musizieren kann. Am Ende des Filmes stirbt Daniel plötzlich. Er hinterlässt seine letzte Liebe, die schwangere Lena, eine junge Supermarkt-Kassenfrau, deren Musikalität und Lebensfreude ihm aus dem Psychotief geholfen hatten.

Und diese Lena wird nun zur Hauptfigur von »Wie auf Erden«. Das Kind vom toten Daniel erwartend, erleidet sie nach einem Folk-Konzert, bei dem sie gesungen hat, eine Frühgeburt. Ausgerechnet der inzwischen zum Alkoholiker gewordene alte Pfarrer Stig leistet ihr nachts Geburtshilfe. Und er kommt am Morgen danach auf die Idee, Lena mit der Aufführung von Händels »Halleluja« zur Wiedereröffnung der restaurierten Dorfkirche zu beauftragen.

Lena-Darstellerin Frida Hallgren spielt in »Wie auf Erden« in allen Registern, komödiantisch wie dramatisch, auf Topniveau. Zwischen Angst und tiefer Melancholie in dunklen Nächten, andererseits voller Energie und Lebensfreude im Umgang mit ihrer neuen Aufgabe wächst einem ihre Lena ans Herz.

Im Drehbuch, das Pollak erneut mit Ehefrau Carin, Hobby Chorgesang, geschrieben hat, geraten die Kirchenfunktionäre wegen Lenas Beauftragung in Rage. Der Kirchenvorstand zürnt dem Pfarrer, will ihn absägen. Der Bezirkskantor, ausgebildeter Chorleiter, schimpft: Wie kann man einer Amateurin einen solchen Job geben, wenn das Fernsehen sich für die Feier angekündigt hat? Das wird doch eine einzige Blamage!

In den zwei Stunden Handlung prasselt das ganze Leben aufs Publikum ein – vom Tod durch Ertrinken bis zur Megafete in der erneuerten Kirche und dem Zusammentreffen von Lena mit Axel, ihrer neuen Liebe. Fast ein bisschen viel auf einmal.

Beginnen lässt Pollak die Story in kalten, endlosen nordschwedischen Winternächten. Und es endet im skandinavischen Sommer, in dem mehr als zwanzig Stunden täglich die Sonne scheint. Auch das wirkt ein wenig zu symbolhaft.

Schön ist die Szene, in der der Konflikt zwischen Lena und den Offiziellen eskaliert. Lenas Aufruf an alle, die ein wenig singen, trompeten oder trommeln können, doch bitte mitzumachen, folgen mehr als hundert Leute. Die Kirche, sonst gähnend leer – Pfarrer Stig bezahlt Gläubige für ihren Gottesdienstbesuch, damit er nicht allein bleibt – ist rammelvoll. Und Lena entscheidet spontan: Die Kirchenbänke müssen raus. »Das geht nicht an diesem heiligen Ort«, faucht die Pfarrsekretärin. Lena: »Jesus brauchte keine Kirchenbänke!«

Wer Pollaks »Wie im Himmel« kennt und mag, wird auch in »Wie auf Erden« Spaß haben. Doch wie so oft bei Folgeprojekten werden Erstsehende Geduld brauchen, um in Ort und Handlung zu finden. Ist man aber drin, wird einen mit großer Wahrscheinlichkeit die propagierte Idee erfassen: Gemeinschaft entsteht dort, wo sich jede und jeder mit seinen Qualitäten einbringen darf und sich nicht dem fremden Willen eines sogenannten Leiters unterwerfen muss.

Dass »Wie auf Erden« in der Adventszeit in die deutschen Kinos kommt, ist kein schlecht gewählter Zeitpunkt: die Sehnsucht nach Licht in der dunklen Dezemberwelt.

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