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Gerhard Midding

Beinahe wäre er aus den falschen Gründen in die Filmgeschichte eingegangen. Lange Zeit war er vor allem bekannt dafür, Gegenstand eines berühmten Experiments zu sein. Lew Kuleshow montierte eine Großaufnahme, in der sein Gesicht keinen Ausdruck erkennen ließ, hinter die Einstellungen eines Suppentellers, eines Sargs und eines Kindes. Das nichtsahnende Publikum brach in Entzücken aus über die Kunst Ivan Mosjukins, Hunger, Trauer und väterliche Fürsorge auszudrücken.

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So höflich sind wohl nur japanische Firmenchefs zu ihren Untergebenen: "Verzeihen Sie, dass ich allen Abteilungen so viel Arbeitet bereitet habe", schrieb Isao Takahata in einem Rundbrief während der Produktion an Die Legende der Prinzessin Kaguya. Und sein Kollege Hayao Miyazaki fügte einer Zeichnung folgende Entschuldigung hinzu: "Sie ist nicht präzise genug, das Gesicht ist zu groß geraten. Vielen Dank, wenn Sie das verbessern."

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Bis zum Ausbruch der Digitalen Revolution stand ich in dem Glauben, Artefakte seien von Menschenhand hergestellte Gegenstände. Diese Ansicht teilte wohl auch ein Großteil der Archäologen. Also fand ich es zunächst wunderlich, dass Bildstörungen auf DVDs ebenfalls so genannt werden. Derlei sich selbstständig machende Pixel sind Ihnen gewiss von alten Silberscheiben oder zu häufig wiederholten TV-Serien bekannt.

Gerhard Midding

Mit ihm verbindet sich eine meiner lebhaftesten und zugleich diffusesten Fernseh-Erinnerungen. In jener Zeit, als es nur drei Programme gab und unser Gerät noch schwarzweiß war, geriet ich eines Sonntagnachmittags in einen Krimi, in dem er einen Mann spielt, der nach einem Unfall aus einer Ohnmacht erwacht und sich plötzlich in der fremden Existenz eines Millionärs wiederfindet. Der Sportwagen, den Louis Jourdan dort fährt, weist die 60er als die Entstehungszeit aus.

Gerhard Midding

Hat der Schein im Kino je eine andere Aufgabe, als zu trügen? Wenn man Filmkritikern Glauben schenkt, nein. Die sind meist mächtig fasziniert davon, wie die Bilder ihr Publikum hinters Licht führen und wähnen sich als eingeweihte Komplizen des Streichs, der da gespielt wird.

Gerhard Midding

Zu den Widersprüchen des Kinos der NS-Zeit, die mich stets fasziniert haben, zählt der Umstand, dass so viele seiner Stars mit Akzent sprachen. Gut, bei Lilian Harvey war er charmant unauffällig. Aber bei Zarah Leander, Marika Rökk, La Jana und vielen anderen ließ er sich deutlich vernehmen. War das eine Besetzungsstrategie der Domestizierung oder gab sie einem mulmigen Exotismus nach?

Gerhard Midding

Ich hatte eine halbe Ewigkeit nicht an sie gedacht. Beinahe hatte ich sie vergessen. So viele Ereignisse in Deutschland überschatteten, überschrieben sie später. Ihr zentraler Satz war mir fast schon nicht mehr geläufig. Ich musste erst die Nachrufe auf Richard von Weizsäcker lesen, um schlagartig erinnert zu werden an seine große Rede vor dem Bundestag am 8. Mai 1985. Sie alle wissen es (wieder): Am 40. Jahrestag des Kriegsendes in Europa sprach er nicht von Niederlage oder der Stunde Null, sondern von Befreiung.

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Auf dem Festival in Sundance führten gerade George Lucas und Robert Redford ein angeregtes Gespräch. Die beiden Veteranen des New Hollywood tauschten vor interessiertem Publikum ihre Ansichten darüber aus, wie aufregend das Filmgeschäft einst war und wozu es heute geworden ist. Lucas tritt bei solchen Gelegenheiten in letzter Zeit als kulturpessimistischer Elder Statesman auf.

Gerhard Midding

Zu den schlechterdings unwiderlegbaren Theorien, die ich hege, gehört jene, dass ein Land wie Mexiko sich am besten in Schwarzweiß filmen lässt. Gewiss, als Kulisse von Hollywood- und Italowestern hat es sich zuweilen auch in Farbe bewährt. Und Alfonso Cuaron, Angelo Gonzaléz Innaritu und etliche ihrer Zeitgenossen würden wahrscheinlich heftig widersprechen. Aber sie drehen ihre Farbfilme mittlerweile ja auch anderswo.

Gerhard Midding

Jacques-Alain Bénisti, der Bürgermeister des Pariser Vorortes Villiers-sur-Marne, besitzt eine Fähigkeit, um die ihn manche meiner Kollegen beneiden werden, denn sie erspart Zeit und Mühen: Er ist in der Lage, einen Film zu beurteilen, ohne ihn gesehen zu haben. In seinem Amt ist er es natürlich gewohnt, Entscheidungen auf Grundlage von Informationen zu treffen, die ihm sein Mitarbeiterstab zuträgt.