Panorama: Auf der Haut

Guy Nattevs »Skin«
»Skin« (2019)

Manchmal gelingt es, aus einem guten Kurzfilm einen überzeugenden Langfilm zu machen. »Skin«, die erste US-amerikanische Produktion des israelischen Filmemachers Guy Nattev, überzeugte im Panorama. Im Film erzählt Nattev von den Schwierigkeiten, aus der rechtsradikalen Szene auszusteigen. Denn oft ist das Problem nicht nur der Gruppenzwang der die Mitglieder hält, sondern auch deren Selbststilisierung. Bryon ist über und über tätowiert. Seine politische Überzeugung trägt er im Gesicht: seine sektenartige rechtsradikale Gruppe »Vinlanders«, geheime radikale Symbole und andere Schriftzeichen. Das macht ihn unverwechselbar. Doch aus dem Stolz wird dann, wenn es darum geht auszusteigen, ein Dilemma. Wie kann man untertauchen, wenn jeder sofort beschreiben kann, wie man aussieht? Denn vor der immer gewalttätiger werdenden Gruppe kann Bryon nicht mal die Polizei schützen.  Der Ausstieg kann also nur bei gleichzeitiger Entfernung der Tattoos gelingen. Und das ist, vor allem im Gesicht, sehr schmerzhaft.

Ein Ehepaar ist der Kern der Bewegung. Zwei glühende Anhänger der White-Supremacy-Ideologie, die orientierungslosen Jugendlichen Essen und ein Zuhause bieten, sie dafür aber radikal auf Linie bringen. Interne Rangkämpfe sind ebenso hilfreich wie bandenmäßige Überfälle. Die Gruppe ist die einzige Familie. Gleichzeitig kandidiert der »Vater« für ein politisches Amt. Bryon ist als treuer Gefolgsmann angesehen, beginnt aber an der Ideologie zu zweifeln.  Auch Julie, dreifache Mutter und keine Schönheit, ist aus der rechten Szene ausgestiegen. Bei einem Konzert ihrer Kinder, das zwar völkischem Gedankengut entspricht, den wilden Rock-Vorstellungen aber ebenso radikal zuwider läuft, so dass schnell Bierdosen fliegen, treffen sich die beiden und finden Halt aneinander. Und dann ist da noch der schwarze Menschenrechtsaktivist Daryle, der überzeugt ist, dass alle Rechtsradikalen sich irgendwann gegen die Szene wenden oder darin umkommen. Er will Bryon helfen seine Vergangenheit zu überwinden. Ohne künstliche Dramatik, eng an der wahren Geschichte von Bryon Widner erzählt Regisseur Guy Nattiv von dem in jeder Hinsicht schmerzhaften Prozess einer persönlichen Neuerfindung. Warum er es nicht in den Wettbewerb geschafft hat, bleibt ein Geheimnis.

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