Forum: Filme des indischen Frauenkollektivs Yugantar

»Tambaku Chaakila Oob Ali« (1982). © Yugantar

Gestern zum Abschluss nochmal ein wirklich ertragreicher Tag, wieder im Bereich der Forums-Archiv-Filme, der räumlich komplett (bis auf einen Sonnenspaziergang in den Tiergarten) im Arsenal stattfand und inhaltlich recht feministisch ausfiel.

Einmal zwei halblange Filme des indischen Frauenkollektivs Yugantar von Anfang der 1980er-Jahre. Der erste (»Tambaku Chaakila Oob Ali« / Tobacco Embers, 1982) begleitete kollektive Beratungs- und Entscheidungsprozesse bei Arbeitskämpfen in einer Tabakfabrik – und soll der erste Film sein, der indische Arbeiterinnen auf der Leinwand zeigt. Der andere (»Idhi Katha Matramena« / Is This Just a Story?, 1983) thematisiert in einer exemplarischen Fallgeschichte das Eheleid einer jungen verheirateten Frau und ist nach einem (überlebten) Suizid aus dem Rückblick erzählt. Dabei spielt auch die beginnenden Freundschaft der Heldin mit einer anderen älteren Frau eine wichtige Rolle.

Beide Filme waren aus dem Vier-Kollektiv in enger Zusammenarbeit mit Aktivistinnen selbst entstanden, wie zwei zur Vorführung anwesende Vertreterinnen des damaligen Regieteams sehr lebendig berichteten. Dann waren sie zu Agitationszwecken so lange als 16mm-Kopien durch Spielstätten im Land gezogen, bis sie praktisch auseinanderfielen. Die nun im Rahmen des Archiv-Programms hergestellten und präsentierten digitalisierten Kopien haben deswegen keinesfalls nur symbolische Bedeutung. Deprimierend nur, dass sie, wie im Filmgespräch ebenfalls zu erfahren war, in Indien nicht nur filmhistorisch sondern auch gesellschaftlich noch höchst aktuell sind. Denn grundlegend hätten sich die Verhältnisse bis heute nicht geändert. So werden die Filme auch nun wieder bei Arbeitskämpfen in der Textilindustrie und in Frauenselbsthilfegruppen eingesetzt.

Dann gab es ebenfalls im Arsenal nach einer Wiederholung von Callisto McNultys Doppelporträt »Delphine et Carole, insoumuses« (als einzige Vorstellung) drei Filme von Carole Roussopulos und Delphine Seyrig selbst. Aus aktueller Perspektive besonders interessant »Sois belle et tais-toi!« (1976, im ausverkauften Kino), wo hundertzehn Minuten lang Schauspielerinnen in die Videokamera sprechen, die Seyrig damals zu ihren Erfahrungen im Beruf befragt hatte. Das Ergebnis dieser Sammlung von Aussagen ist erhellend und erschütternd – dabei geht es weniger um konkrete Übergriffe im #metoo-Sinne als um generell mangelnden professionellen Respekt gegenüber den Darstellerinnen, die Dürftigkeit und Beschränktheit der Rollen und den Druck zur Anpassung an Weiblichkeits- und Schönheitsklischees. Und auch die fehlende Repräsentation von Freundschaft und Solidarität unter Frauen in den Filmen spielt eine wichtige Rolle. Nicht alle der Akteurinnen mag man namentlich erkennen, aber besonders dezidiert sind Maria Schneider und Jane Fonda, die eloquent erzählt, wie sei bei ihrem Debüt auf einer Art Zahnarztstuhl von einer Filmmänner-Runde begutachtet wurde und Produzent Jack Warner ihr sogar das Kinn brechen wollte, um eine schmalerer Wangenkontur zu erzielen.

Solche operativen Eingriffe machen viele Frauen heute vermutlich freiwillig. Auch sonst hat sich auf den ersten Blick nicht wirklich viel geändert. Aber es wäre interessant, Seyrigs Arbeit einmal praktisch fort zu führen und die von ihr gestellten Fragen (oder die von den Schauspielerinnen geäußerten Tatsachen und Umstände) ganz konkret und empirisch auf heutige Verhältnisse zu projizieren. Eine gute Aufgabe für das nächste Jahr. Nur welche Schauspielerin könnte das tun?

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