Forum: »African Mirror«

»African Mirror« (2019). © ton und bild GmbH

Mit seinen jovialen Fernsehauftritten stelle ich mir René Gardi (1909-2000) als Schweizer Variante von Bernhard Grzimek vor. Setzte sich der eine hierzulande für die bedrohte Tierwelt ein, so war dem anderen daran gelegen, seinen Landsleuten Afrika nahezubringen – nicht nur in Fernsehsendungen, sondern auch in Büchern und Filmen. »Mandara – Zauber der schwarzen Wildnis« lief 1960 im Wettbewerb der Berlinale und erhielt eine lobende Erwähnung und Gardi kann stolz vermelden, »wir haben dort immerhin Disneys »Jungle Cats« geschlagen«. Ein Prädikat wurde ihm beim deutschen Kinostart gleichwohl vorenthalten mit Verweis auf schwerwiegende Mängel im Kommentartext (»zu geschwätzig, geschwollen und phrasenhaft«). Und der Schweizer Verleih beklagte sich über ausbleibenden Erfolg in Züricher Kinos beim Filmemacher – hätte der doch bloß einem zugkräftigeren Titelzusatz zugestimmt, schließlich strömte das Publikum in die parallel laufenden »Liebesbräuche bei fremden Völkern«.

Für seinen Film »African Mirror« konnte Mischa Hedinger auf den gesamten Nachlass vom Gardi zurückgreifen – »ein Archiv mit Tagebüchern, Briefen, Zeitungsartikeln, Filmrollen, Tonbändern und über 30.000 Fotografien, der größte Teil davon unveröffentlicht.« »African Mirror« enthält sich jeglichen Kommentars, ist also eine Selbstdarstellung Gardis, der übrigens auch mehrfach in Sendungen des WDR zu Worte kommt. In (vermutlich eher nichtveröffentlichtem) manchen Kommentaren spricht er durchaus auch von den Arrangements, die er für seine Filme und Reportagen vornahm, von den Inszenierungen, die er dabei betrieb. Insofern würde ich Hedinger widersprechen, der im Presseheft schreibt, »dass René Gardi selbst die Widersprüche in seinem Werk nie thematisiert hat.« 

Afrika fungiert bei Gardi der Gegenentwurf zur westlichen Konsumkultur, er zeigt unberührte Natur und einfaches, damit verbundenes Handwerk und Leben. Er entrüstet sich über Straßenmärkte, die mehr und mehr mit westlichem ‚Tand’ überflutet werden und beklagt, dass die Eingeboren sich touristischen Wünschen anpassen, während ein Fernsehbericht vermeldet, dass sein Film »Mandara« dort als Videoraubkopie an Touristen ‚verhökert’ werde. Das Treiben der Touristen dürfte sich bis heute kaum geändert haben, nur dass diese im digitalen Zeitalter weitaus mehr Bilder produzieren.

In der Mitte des Films übrigens lässt Hedinger eine Bombe platzen, indem er mit einer (Selbst-)Enthüllung Gardis aufwartet. Die ist schockierend (und in heutigen Zeiten auch wieder nicht, war bei dieser Berlinale Thema eines ganzen Spielfilms). Die wird im Folgenden nie wieder aufgegriffen, überlagert für den Zuschauer jedoch den Rest des Films, man fragt sich, ob Gardi so etwas auch In Afrika gemacht hat.

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