Retrospektive: Dark City (USA 1998)

»Dark City« (1998). © New Line Productions, Inc.

Die Themen der Retrospektive, nämlich Dystopie und die Begegnung mit dem Anderen, sind perfekt konzentriert in Alex Proyas »Dark City«. Und die Filmgeschichte wird gleich mitgeliefert, mit der ganzen deutschen Stummfilmfantastik, die hier Pate gestanden hat, von den Metropolis-Stadtbildern bis zum Nosferatu-Aussehen der Aliens (schön aber andererseits auch, dass Richard »Rocky Horror Picture Show« O'Brien als unheimlicher Verfolger dabei ist...)

Um Aliens geht es, die unter uns weilen, und um einen Mann ohne Gedächtnis, der ihnen auf die Spur kommt, und um die Stadt in ewiger Dunkelheit, in der nichts ist, wie es scheint. Denn alles ist Experiment der Außerirdischen: Alles steht still, weil deren Geist es will; mitternächtlich schläft alles ein, und die Menschen werden vertauscht, ihre Körper und Erinnerungen. Bei John Murdoch ist das schiefgegangen, er weiß von nichts mehr, muss sich an sich selbst herantasten und zugleich den außerirdischen Verfolgern entkommen, und: auch er hat diese Gabe, mit dem Willen die Welt zu gestalten...

Nachts entstehen neue Häuser, neue Wohnungen, neue Menschen. Zusammengemixt und eingeimpft werden die künstlichen Erinnerungen vom Psychologen Daniel P. Schreber – man müsste sich hier mal ernsthaft mit dem Fall Schreber beschäftigen, denn der – Sohn des Schrebergartenkönigs – hat Anfang des 20. Jahrhunderts mit seiner eigenen Psychosegeschichte Furore gemacht. Recherche hier während der Berlinale unmöglich, Wikipedia muss genügen...

Kiefer Sutherland spielt diesen Schreber, der immer lächelt und etwas abgehackt spricht und ziemlich gestört wirkt, zugleich genial: ein kleiner Mad Scientist im erzwungenen Dienst für die Aliens, die ihre ganzen nächtlichen Menschenrochaden durchführen, um der menschlichen Seele, der Individualität auf den Grund zu kommen...

Düster ist dieser Film im Wortsinn, es herrscht ewige Nacht, weil die Außerirdischen das Licht scheuen; ebenso wie das Wasser, die Idylle am Ozean von Shell Beach, nach der sich John Murdoch sehnt, besteht nur in seinem Kopf. Wahrscheinlich auch die Liebe zu Emma beziehungsweise Anna – Identität ist halt instabil, wenn die Außerirdischen da sind; und diese Romanze ist ein bisschen die Schwachstelle des Films, weil halt eigentlich jedes Gefühl obsolet wird, wenn jede Erinnerung künstlich ist. Andererseits haben wir es hier mit Hollywood zu tun, und da muss man halt auch mal drüber hinwegsehen. Zumal ohne Hollywood die Special Effects nicht funktioniert hätten – die ja auch immer Teil des Science Fiction-Genres sind, man will ja was sehen! Computereffekte, die die Stadtlandschaft morphen, passen sich in »klassische« Miniaturtricks ein, am Ende der große Showdown, beim Duell der telekinetischen Kräfte zwischen Murdoch und den Aliens, da wird es dann so richtig wegweisend für »Potter« wie »X-Men«... Und die Filmgeschichte, die hier drin steckt, streckt sich hinaus in die Zukunft der ganzen Blockbuster, die uns heute umschlingen.

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