Glorious Technicolor: Der Begleitband zur Retrospektive

Connie Betz, Rainer Rother, Annika Schaefer (Hrsg.): Glorious Technicolor. Berlin: Bertz+Fischer 2015. 176 Seiten, 25 Euro.
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Farbe im Film: Das ist etwas Selbstverständliches, völlig normal, man nimmt so mit. Wer aber etwa den jüngst angelaufenen Wir sind jung. Wir sind stark. – ein sehr emphatisch-effektvoll inszenierter Film über die ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Rostock 1992 – gesehen hat: Der nimmt die Wirkungsmacht von Farbe vielleicht ganz neu wieder wahr, und das im ganz aktuellen Kino.

Die Retrospektive der Berlinale zu der ikonisch-mythischen Technik, die die Farbe erfolgreich, nachhaltig und maßstabsetzend auf die Leinwand brachte, gewidmet: Technicolor, das mit seinen leuchtenden, kräftigen Farben die Klassiker des Hollywoodkinos so richtig erst zu Klassikern machte. Dass der Film immer nach Farbe strebte, teils mit Viragierung und Tönungen, teils mit diversen Methoden der Handcolorierung dies auch seit seiner frühesten Zeit erreichte, ist allgemein bekannt. Doch erst Technicolor brachte eine handhabbare Technik ins Spiel, die mit „natürlicher“ Farbgebung – heißt: nicht mit nachträglich aufgebrachter Colorierung, sondern fotographisch erzeugt – neben dem Ein- und Durchsetzen des Tonfilms in den 1930er Jahren eine weitere Revolution für die Kinounterhaltung bedeutete. Gerhard Midding hat in epd Film die besondere Ästhetik des Technicolor-Verfahrens eingehend beschrieben.

Der von Connie Betz, Rainer Rother und Annika Schäfer herausgegebene Band Glorious Technicolor, erschienen im Bertz+Fischer-Verlag, bietet weitere und ausführliche Lektüre begleitend zur Berlinale-Retrospektive. Barbara Flückiger sowie Ulrich Ruedel und Kieron Webb beschreiben in ihren jeweiligen Essays die Technik, die hinter der Opulenz steckt – von der Technicolor-Frühzeit in den 1920er Jahren, als mit einem zwar nur zweifarbigen System dennoch ein weiter Fortschritt erzielt wurde gegenüber Verfahren, die die Farben erst bei der Projektion dem Filmbild hinzumischten, über die systematische Vereinnahmung der großen Hollywoodfilme durch die Farbberater des Technicolor-Konzerns, die im gesamten Prozess der Designgestaltung der Filme ein oder zwei Wörtchen mitzureden hatten, bis zu den Schwierigkeiten der Restaurierung der originalen Technicolor-Farben mit den Mitteln heutiger digitaler Möglichkeiten. Beispielhaft beschreiben Susanne Marschall die Musicals, Heather Heckman die Western, die in je ganz eigener Ästhetik die weite Spannweite von Technicolor umfassen, von auffälliger Fantastik bis zu farblicher Zurückhaltung mit punktuellen Akzenten; ein Film, Blood and Sand von Rouben Mamoulian von 1941, – beschrieben von Christine N. Brinckmann –, steht exemplarisch für die Orientierung an klassischer Malerei, die Technicolor dem Hollywood-Kino nun auch in der Farbgebung, nicht nur in der Lichtsetzung bot. In Großbritannien, so führt Sarah Street aus, wurde eine andere, weniger auf Leuchtkraft ausgerichtete Ästhetik favorisiert; wiewohl ebenso wie die Hollywood-Produktionen von Technicolor-Farbberatern begleitet, setzten zumal Michael Powell und Emeric Pressburger eine andere, erdigere, pastellfarbene Farbpalette ein, auch in bewusstem Gegensatz zur als grell empfundenen amerikanischen Ästhetik. Während in Deutschland, wie Dirk Alt ausführt, Technicolor trotz diverser Verhandlungen mit der Ufa nicht recht Fuß fassen konnte; zumal unter Goebbels das eigene, sanftere Agfacolor-Verfahren vorangetrieben wurde.

Der Band deckt, in Entsprechung mit der Retrospektive, die klassische Ära von Technicolor ab: bis dann in den 1950er Jahren Eastmancolor mit dem Farb-Negativ-Film neue und billigere Möglichkeiten bot. Dass Technicolor zwar in der Herstellung, nicht aber im Kopierverfahren mit Eastmancolor endete, deutet der Band immerhin an: Ohne das spezielle Druckverfahren, das die Farbgebung auf das Filmband aufbrachte, wäre zumal das europäische Genrekino bis in die 1970er Jahre ein anderes gewesen, von Sergio Leone bis Mario Bava.

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