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Gerhard Midding

Émilie Dequennes Karriere fing rastlos und mit Schmerzen an: dem Bauchweh, das Rosetta mit dem warmen Luftstrahl ihres Haartrockners zu betäuben versucht. Wortlos legt sie sich auf ihr schmales Bett und wartet selbstverloren ab, bis es allmählich nachlässt. Der Film weiht uns nicht ein, woher die Schmerzen kommen – es könnten ihre Regelblutungen sein –; er ist verschlossen, setzt nur auf die Evidenz der Situationen. Aber er lässt erahnen, dass in Rosettas Welt sonst kein Platz ist für Wärme. Ihr Leben ist ein unaufhörlicher Krieg.

Gerhard Midding

Es lässt sich nicht genau sagen, welchem Genre »Possession« von Andrzej Zulawski angehört, der nun als Wiederaufführung anläuft. Im Kern verhandelt er eine Ehekrise, schwenkt bald massiv zum Horrorfilm hinüber, mündet in ein Gangsterfilmfinale (das aber eher dem Liebestod aus »Duell in der Sonne« ähnelt), um schließlich mit apokalyptischem Raunen einen Neuanfang anzustimmen. Ein Doppelgängerfilm ist er nebenbei auch und hört währenddessen nie auf, ein bizarrer Mauerstadtfilm zu sein. 

Gerhard Midding

"Man könnte glauben, dass Ravel ein fantastischer Filmmusiker wäre", sagte Philippe Sarde einmal, "nur - er hatte keine Filme, für die er Musik hätte schreiben können." Seine Musik sei sehr visuell, fand der Filmkomponist, aber seltsamerweise sei es schwer, sie Bildern zu unterlegen, denn sie enthalte selbst schon alle Bilder.

Gerhard Midding

In Jean-Claude Grumbergs Jugendmärchen »Das kostbarste aller Güter«, dessen Verfilmung seit gestern in unseren Kinos läuft, findet eine merkwürdige Verdinglichung statt. Das Merkwürdigste an ihr ist, wie sehr sie zu Herzen geht.

Gerhard Midding

Vor langer Zeit veranstalteten einige Kollegen und ich alljährlich eine Oscar-Wette. Wir gingen mit einigem Ehrgeiz daran. Allerdings geschah es oft genug, dass ein Freund die höchste Trefferquote erzielte, der keinen einzigen der Kandidaten gesehen hatte. Eventuell lässt sich daraus ja eine Lehre für die Gegenwart ziehen. Ich komme darauf zurück. Aber erst möchte ich Ihnen eine Statistik vorstellen, die ganz bestimmt nicht hilft, die Ergebnisse der kommenden Nacht vorherzusagen.

Gerhard Midding

Die Freundschaft zwischen Regisseuren fasziniert mich immer wieder. Ihr Andauern gibt Rätsel auf. Immerhin könnte sie durch Eitelkeit oder die Konkurrenz, in der sie stehen, verhindert werden. Im Gegenzug mag sie eine ähnliche, womöglich gar deckungsgleiche Auffassung vom Kino verbinden. Es nimmt nicht wunder, dass Andres Veiel und Andreas Dresen eine persönliche und eine Filmfreundschaft verbindet?

Gerhard Midding

Wenn ich »Hell's Angels« von Howard Hughes, dessen 4-K-Restaurierung im Rahmen der "Berlinale Classics" läuft, ein heroisches Fiasko nenne, was wiegt dann schwerer in Ihren Augen: das Hauptwort oder das Adjektiv? Für Martin Scorsese steht die Antwort fest. Ich bin ihr nach langem Schwanken beim Wiedersehen zumindest einen großen Schritt näher gekommen.

Gerhard Midding

Francois Truffaut sprach gern vom "großen Geheimnis", wenn er über Regisseure schrieb, die ihr Handwerk noch in der Stummfilmära gelernt hatten und seitdem nie vergaßen, wie es ist, eine Geschichte rein visuell zu erzählen. In »Shen nu« (The Godess/ Die Göttliche), dem diesjährige Stummfilm im Programm der Berlinale Classics, kommt man diesem Geheimnis gleich in den ersten Bildern auf die Spur.

Gerhard Midding

Der Gedanke, dass ihr Mann gleich fort sein wird, bereitet Okane nachgerade körperliche Schmerzen. Sie taumelt verzweifelt durchs Haus, hastet von Raum zu Raum, lehnt sich an die Wände, die ihr keinen Halt bieten, krallt sich schluchzend an ihnen fest. Um jeden Preis will Okane verhindern, dass Seisaku wieder in den Krieg zieht.

Gerhard Midding

Anders als die Retrospektive, die besser eines hätte, kommen die Berlinale Classics ohne Konzept aus. Für die Zusammenstellung der kleinen Reihe braucht es eigentlich nur einen Überblick der aktuellen Restaurierungen weltweit, dazu Geschmack sowie ein scharfes Auge und waches Ohr.