Amazon: »Luden – Könige der Reeperbahn«

»Luden – Könige der Reeperbahn« (Miniserie, 2023). © Susanne Schramke, Prime Video

© Susanne Schramke, Prime Video

Reeperbahn-Saga

Nach einer Krawallnacht auf St. Pauli hält der altgediente Kommissar den Prostituierten und Zuhältern auf der Polizeiwache eine Standpauke. »Ihr seid nichts anderes als eine Sehenswürdigkeit im Zoo. Leute aus aller Welt kommen, um euch zu sehen.« Diese Ansprache ist zugleich das Motto des ambitionierten Sechsteilers »Luden«, den Laura Lackmann und Stefan Lukacs für Amazon inszenierten.

Die Hochglanz-Serie versetzt den Betrachter zurück in die frühen 80er Jahre. Aaron Hilmer verkörpert Klaus Barkowsky, einen halbstarken Schönling mit großer Klappe, der auf St. Pauli ins Geschäft kommen will. Die erfahrene Prostituierte Jutta (Jeanette Hain) erkennt sein Potenzial. Frauen fliegen dem gut aussehenden Überflieger nur so zu. Also stachelt sie ihn an, Zuhälter zu werden. Gemeinsam mit seinem Jugendfreund Andy (Henning Flüsloh), einem gescheiterten Profiboxer, der als cholerischer Kiezschläger so unbesiegbar ist wie der Hulk, schafft der unerschrockene Newcomer es tatsächlich, am Kartell der alteingesessenen Luden zu partizipieren.

Der Weg zum Erfolg führt jedoch über einen fatalen Deal. Im Auftrag des Kiezpaten Frida Schulz (Nicki von Tempelhoff ) muss Klaus seine in ihn verliebte Jugendfreundin Claudia (Ada Philine Stappenbeck) auf eine Bohrinsel schicken. Die gebrochene Frau nimmt sich daraufhin das Leben. Doch das erfährt man nur recht beiläufig aus den Fernsehnachrichten.

Wie einst in »Der König von St. Pauli«, dem Sechsteiler von Dieter Wedel von 1998, wird die eigentliche Brutalität im Zuhälter-Milieu deutlich geschönt. Klaus, so heißt es in der Off-Erzählung, habe »einen Puff wie einen Tempel« gebaut. »Er machte die Frauen zu seinen Priesterinnen.« Statt die Psychodynamik der sexuellen Hörigkeit auszuleuchten – wie dies beispielsweise Dominik Grafs Zuhälterdrama »Hotte im Paradies« 2003 überzeugend vorführte –, zeichnet die Amazon-Serie das romantisierte Bild einer Parallelwelt. Der Kiez ist bevölkert von Außenseitern und Paradiesvögeln. Birgit (Anne Haug), eine in arrivierter bürgerlicher Ehe lebende Mutter, findet das Eroscenter so aufregend, dass sie freiwillig anschaffen geht: bevor sie ihren Sohn von der Schule abholt. Und Klaus' Jugendfreund Bernd (Noah Tinwa) ist gar ein Transgender.

Dieses romantisierte Kiezbild spiegelt sich in der routinierten, nicht wirklich inspirierten Inszenierung. Im Gegensatz zu den markanten Gesichtern der Zuhälter erscheinen die Frauenfiguren unscharf. Auch die Studiokulissen muten etwas steril an. Zu den interessanten Aspekten zählt der Blick auf die Aidskrise, die ab den frühen 1980ern die Szene radikal veränderte. Einschlägige New-Wave-Ohrwürmer evozierten unterdessen eine nostalgische Stimmung. »Luden« ist eine Hochglanzserie, die das Thema durchaus unterhaltsam verpackt. Beim Zusehen fühlt man sich jedoch wie ein Tourist, der mit einer gewissen Faszination durchs Rotlichtviertel spaziert, ohne dass einem das Schicksal dieser Frauen wirklich nahe ginge.

Trailer

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt