Buch-Tipp: Claude Sautet – Regisseur der Zwischentöne

Männer um die 40

Auf der Rückseite des Einbandes wird Romy Schneider zitiert mit dem Satz: »Claude Sautet hat mich die Dinge des Lebens gelehrt«, auf dem Cover sieht man die Schauspielerin und den Regisseur Arm in Arm. Will man heute einem nichtcinephilen Menschen etwas über ­Claude Sautet erzählen, so ist der Name ­Romy Schneider sicherlich hilfreich. Nicht zu Unrecht, hat sie doch zwischen 1970 und 1978 in allen sechs Filmen, die er in diesen Jahren inszenierte, mitgewirkt. Der letzte davon, »Eine einfache Geschichte«, war von Sautet sogar explizit als Geschenk zu ihrem 40. Geburtstag konzipiert worden: ein Film über eine Frau und ihre Freundinnen, während in den Filmen zuvor überwiegend Männergruppen im Zentrum standen. 

Beschäftigt man sich rückblickend mit den Karrieren anerkannter Regisseure, ist es oft überraschend zu erfahren, dass nicht wenige ihrer Filme bei ihrem Erscheinen Misserfolge an der Kasse oder bei der Kritik waren. Sautet hatte in den 70er Jahren keinen guten Ruf in cinephilen Kreisen, schreibt Thierry Frémaux in seiner Einleitung – dies war 1994 eines der ersten Bücher über ihn. In Deutschland liegen immerhin zwei umfangreiche Würdigungen vor. 2004 nahm sich die Filmzeitschrift »Steadycam« in Nr. 47 auf 82 Seiten seiner an, 2015 erschien die Dissertation von Bettina Karrer unter dem Titel »Unstillbare Sehnsucht«. Das Buch des 2010 verstorbenen Filmkritikers Michel Boujut kam 2014 in erweiterter Fassung heraus, sie liegt mit dieser Ausgabe jetzt in deutscher Übersetzung vor.

In 15 Kapiteln befragt Boujut Sautet (1924–2000) zu seinen Filmen, nur 13 in 35 Jahren. Nach Anfängen als Jazzkritiker war er jahrelang als Regieassistent (auch später noch) immer wieder damit beschäftigt, Drehbücher »neu zu besohlen«, ein ungenannter script doctor, bevor er mit zwei Gangsterfilmen mit Lino Ventura (»Der Panther wird gehetzt«, 1960, und »Schieß, solange Du kannst«, 1965) zur Regie wechseln konnte. Doch erst mit »Die Dinge des Lebens« (1970) etablierte er seine spezifische Handschrift und seinen Fokus: Der Protagonist (Michel Piccoli) ist »ein Mann um die vierzig, wie viele in meinen späteren Filmen« – es geht um Männer im Kreis ihrer Freunde und in komplizierten Beziehungen zu Frauen.

Höchst präzise erzählt Sautet von seiner Arbeit mit Schauspielern, aber auch den Hahnenkämpfen zwischen diesen am Set; wichtig waren ihm immer die Figuren, entsprechend großen Raum nimmt die Beschreibung der Arbeit mit seinem Stamm von Drehbuchautoren ein. Freimütig berichtet er auch von seinen frühen Jahren und seiner zeitweiligen Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei. Mit Boujut verband ihn die Tatsache, dass beide als Gegner des Algerienkriegs Stellung bezogen.

Nach 240 Seiten Interviews enthält das Buch noch Texte von und über Sautet, darunter ein Nachwort von Bertrand Tavernier (der 1960 als Kritiker sein erstes Interview mit ihm führte) und zeitgenössische Würdigungen, unter anderen von Melville und Truffaut. Unter den sieben Texten von Sautet ist natürlich auch einer über Romy Schneider. Ein schönes und informatives Buch, das Lust auf eine (Wieder-)Begegnung mit Sautets Filmen weckt.

 


Claude Sautet – Regisseur der Zwischentöne. Gespräche mit Michel Boujut. Alexander-Verlag, Berlin 2022. 304 S., 30 €.

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