arte-Mediathek: »State of Happiness«

Die Geburt eines Sozialstaats

Er ist gekommen, die Sache zu beenden. Jonathan Kay (Bart Edwards) reist von Texas aus in das Land, das sein Chef als »religiös, regnerisch, kalt« beschreibt. Kein richtiger Sommer oder Winter. Keine Bars. Kays lakonische Riposte: »Klingt großartig.« So fliegt er mit dem Helikopter in Stavanger ein, um die dortige Filiale der Ölfirma Phillips 66 zu schließen, da die Zentrale zu der Auffassung gelangt ist, in der Nordsee gebe es kein Öl. Auch Shell zieht sich zurück. Zum Leidwesen der 17-jährigen schwangeren Toril Torstensen (Malene Wadel), die auf eine Ehe mit ihrem US-amerikanischen Freund gehofft hatte. Doch der ist dann mal weg.

Entgegen seinem Auftrag lässt Kay die geologischen Unterlagen nochmals prüfen. Und dann kommen Gerüchte auf. Auf der Bohrinsel sei ein Rauchverbot ausgesprochen worden. Der Bürgermeister ahnt, was das zu bedeuten hat und beginnt zu taktieren. Heute verdankt Norwegen seinen Ölvorkommen einen hohen Lebensstandard, niedrige Arbeitslosigkeit, vorbildliche Sozialleistungen.

Es hätte anders kommen können. Davon erzählt die norwegische Serie »State of Happiness« (Lykkeland). 1969 droht Stavanger der Niedergang. Der Fischfang ist unrentabel, die örtliche Konservenfabrik von Fredrik Nyman (Per Kjerstad) schreibt Verluste. Ehedem waren die Nymans zu beträchtlichem Wohlstand gelangt, müssen nun aber nach Auswegen aus der Krise suchen. Eine Hürde: Norwegen gehört nicht der Europäischen Gemeinschaft an, das verteuert die Exporte.

Nymans Sohn Christian (Amund Harboe) arbeitet als Taucher. Er ist mit Anna Hellevik (Anne Regine Ellingsæter) liiert, ihre Hochzeit ausgemachte Sache. Anna, Tochter einfacher Viehbauern, wurde von den Nymans herzlich aufgenommen. Die junge Frau lernt Fremdsprachen, ergattert eine Anstellung als Sekretärin im Bürgermeisteramt. Als Protokollantin ist sie stets bestens informiert und erweist sich bald als kluge Ratgeberin sowohl des Rates wie des Schwiegervaters in spe, dem sie empfiehlt, auf das Zuliefergeschäft für Ölplattformen umzusteigen. Nyland zögert, ändert seine Meinung beizeiten, muss dafür aber einiges opfern.

»State of Happiness« beruht auf Tatsachen. Die Firmennamen sind authentisch, der Lokal-, später Landespolitiker Arne Rettedal (1926–2001) hatte entscheidenden Anteil, dass der norwegische Staat einen gebührenden Anteil an den Ölgewinnen erhält. Die nach Entdeckung des Öls einsetzende rasante Entwicklung betraf alle Bereiche der Gesellschaft. Thematisch breit, multiperspektivisch, im Detail präzise, sehr lebensnah wird von der gefährlichen Arbeit auf den Bohrinseln erzählt, von der Ankunft der US-Kultur, von bäuerlichem Dasein, von Traditionen, Religiosität, Geschlechterrollen. Obwohl Norwegen in Sachen Frauenwahlrecht anderen Ländern voraus war, herrscht um 1970 herum noch Emanzipationsbedarf. »Ich kann sagen, was ich will«, äußert Anna einmal, »aber es wäre nicht natürlich.«

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