Kritik zu To a Land Unknown

© Real Fiction Filmverleih

Der dänisch-palästinensische ­Filmemacher Mahdi Fleifel erzählt schonungslos von der Not zweier Cousins, die aus ihrer palästinensischen Heimat geflohen sind und nun in einem Armenviertel in Athen leben

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Mahdi Fleifel eröffnet seinen ersten Spielfilm mit einem Zitat des Literaturwissenschaftlers Edward Said (1935–2003): »Es ist wohl das Schicksal von Palästinensern, nicht zu enden, wo man angefangen hat, sondern irgendwo an unerwarteten, weit entfernten Orten.« Der Ort in Fleifels »To a Land Unknown« ist Athen. Der Sehnsuchtsort für Chatila (Mahmood Bakri) und Reda (Aram Sabbah), die auf illegalen und gefährlichen Wegen aus dem Libanon nach Griechenland gekommen sind, liegt aber in Deutschland. Chatila träumt davon, in einem arabischen Viertel einer Stadt ein Café zu eröffnen; es wäre für ihn ein Stück Libanon in Deutschland. In Athen fühlen sich Chatila, der Frau und Sohn vorerst im Libanon zurückgelassen hat, und Reda wie in einem Gefängnis. Die Griechen sähen aus wie Araber.

Regisseur Fleifel, der als Sohn palästinensischer Flüchtlinge in Dänemark aufgewachsen ist und in Großbritannien an der National Film and Television School studiert hat, wollte mit seinen Drehbuchkollegen Fyzal Boulifa und Jason McColgan in eine Welt eintauchen, in der jeder gegen jeden kämpft. Die beiden Protagonisten seines Buddyfilms im Geist von John Schlesingers »Asphalt-Cowboy« (1969) und inspiriert von Werken aus den 1970er Jahren führen sich nicht als Sympathieträger ein. Der aufbrausende Chatila (»Ich scheiß auf Athen«) und der labile und drogenabhängige Reda bestehlen eine alte Frau, bewegen sich in einem Milieu aus Schleppern, Passfälschern, Dieben und Dealern. Wenn das Geld nicht reicht, prostituiert sich Reda für ein paar Euro. Kriminelle Energie verbindet sich mit destruktiven Schüben von Naivität und Realitätsverlust, Skrupellosigkeit und Gewalt. Die Erkenntnis »Wir sind wie Tiere. Schlimmer als Tiere« besitzt eine kurze Halbwertszeit. Selbst die Fürsorge für den 13-jährigen Malik (Mohammad Alsurafa) aus Gaza bleibt nur eine kurze Episode. Eine Intrige, für die Chatila die einsame Tatiana (Angeliki Papoulia) gewinnt, übersteigt die logistischen und intellektuellen Möglichkeiten des selbst ernannten Masterminds.

Thodoros Mihopoulos’ Kamera verfolgt Menschen, die sich ein labyrinthisches Lügengebäude bauen, aus dem sie am Ende nicht mehr herausfinden. Die sich in bedrückenden Innenräumen und auf den Straßen Athens entfaltende Tristesse der Situation Chatilas und Redas eröffnet keine hoffnungsvolle Perspektive. Ein Happy End kommt in keiner einzigen Szene in Sicht. Das Ensemble gibt dem Film Kraft und Energie. Bakri, ein Schauspielprofi, und Sabbah, ein Naturtalent, verkörpern intensiv, mit fast schon dokumentarischer Wahrhaftigkeit Menschen, denen das Leben nichts geschenkt hat und die sich ein Stück vom Glück rauben wollen. Für ein westliches Publikum, sagt der palästinensisch-dänische Regisseur Fleifel, »bleiben diese Menschen oft bloße Statistiken, ohne jede Menschlichkeit. Sie wissen nichts über ihre Träume, Ängste oder Hoffnungen.« Dem westlichen Publikum mutet der Filmemacher nun 105 schonungs- und illusionslose Minuten zu: eine Reise in eine unbekannte Welt.

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