DVD-Tipp: Konrad Wolf – Alle DEFA-Spielfilme (1955-1979)
Für ein jüngeres Publikum ist vermutlich sein letzter Film sein bekanntester – vielleicht sogar der einzige, den es kennt. »Solo Sunny« erzählte 1979 die Geschichte einer jungen, unangepassten Sängerin in Berlin, die gerne aneckte; Hauptdarstellerin Renate Krößner wurde bei der Berlinale 1980 als beste Darstellerin ausgezeichnet, der Film war anschließend auch in bundesdeutschen Kinos zu sehen. Im Bewusstsein der meisten Kinointeressierten dürfte Konrad Wolf der Regisseur antifaschistischer Filme sein. Die waren zwar auch integraler Bestandteil des Werkes anderer DEFA-Regisseure, aber für keinen von ihnen waren sie eine so zwingende Notwendigkeit wie für Wolf, der als Siebenjähriger 1933 mit seinen Eltern aus Nazideutschland emigrierte und zwölf Jahre später als Mitglied der Roten Armee zurück nach Deutschland kam. Davon hat er sehr direkt in »Ich war neunzehn« erzählt. Das Thema der Haltung zieht sich durch all seine Filme. Oft sind es die Männer, die dem Faschismus nur wenig Widerstand entgegensetzen (»Genesung«) oder sich ganz auf dessen Seite schlagen (»Lissy«), während die Frauen schon auf der richtigen Seite stehen oder sich dorthin entwickeln.
In diesen Filmen geht es dabei auch um die Haltung zur Sowjetunion, verständlich aus Wolfs Biografie. Man fragt sich, wie er sich da heute positionieren würde. Komplex wird das in »Sonnensucher« abgehandelt, dessen drastische Szenen von Menschen, die im und um den Uranabbau in der Wismut arbeiten (nicht immer freiwillig), auch heute noch eindringlich sind – kaum eine der Figuren kann die unmittelbare Sympathie des Zuschauers erheischen. Erwin Geschonneck als altem Genossen wird von einer Parteisekretärin einmal seine sprunghafte Biografie vorgehalten. An anderer Stelle zählt er auf, warum die Freundschaft mit der Sowjetunion nicht zu hinterfragen ist – diese Szene, so erfährt man aus dem Begleitmaterial, wurde später nachgedreht. Dass der Film in seiner ursprünglichen Form nicht in die Kinos kommen würde, hat der SED-Vorsitzende Walter Ulbricht damals Wolf persönlich erklärt. Am Ende blieben auch die nachträglichen Änderungen vergeblich, die Erstaufführung fand 14 Jahre später statt. Die Anpassung des Künstlers an das Publikum und an die Herrschenden hat Wolf als Gegenwartskomödie (»Der nackte Mann auf dem Sportplatz«) wie als historisches Epos (»Goya«) thematisiert, der Titelzusatz von Lion Feuchtwangers Roman (»Der arge Weg der Erkenntnis«) könnte auch als Motto für Wolf gelten, der als Präsident der Akademie der Künste oft um Kompromisse ringen musste.
Vor sieben Jahren erschien bereits eine Box mit dem gleichen Titel bei einem anderen Anbieter, die Neuausgabe ist identisch in der Ausstattung mit Extras, allerdings mit anderen Texten von und über Wolf im 30-seitigen Booklet, besitzt zudem für einige Filme weitere fremdsprachige Untertitel und Hörfilmfassungen. Alle Filme wurden digitalisiert, »Solo Sunny« liegt in einer ganz neuen digitalen Restaurierung vor. Als zusätzlicher Film ist jetzt »Die Ermittlung« enthalten. Das gleichnamige Bühnenstück über den Auschwitz-Prozess wurde 1965 parallel auf Bühnen in Ost und West erstaufgeführt. Die Aufzeichnung der hier abgefilmten szenischen Lesung (u. a. mit Anna Seghers) im Plenarsaal der DDR-Volkskammer wurde von einem Kollektiv verantwortet, zu dem auch Wolf gehörte – ein historisches Dokument von zwangsläufig bescheidener Bildqualität.
Das Bonusmaterial bietet zwei abendfüllende Dokumentarfilme über Konrad Wolf, Interviews mit ihm und seinen Mitarbeitern und Schauspielern; Wolfgang Kohlhaase (vier Drehbücher für Wolf) kommt mehrfach zu Wort, auch der Autor Angel Wagenstein und die Regieassistentin Doris Borkmann steuern Informatives bei. Wolf erscheint dabei als jemand, der wusste, was er wollte, dies auf leise Art und zurückhaltend deutlich machte, aber insbesondere seinen Schauspielern viele Freiheiten ließ.
Konrad Wolf: Alle DEFA-Spielfilme 1955-1979. 15 DVDs. Anbieter: Filmjuwelen
VÖ: 28. August 2025




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