ARD-Mediathek: »1985«
© WDR/Thomas Nolf
Eine Zeit lang war in der TV-Kritik vom skandinavischen Serienwunder die Rede, eher selten vom belgischen. Wobei der Begriff »Wunder« auch fehlginge, denn das kleine Land verdankt seine beachtliche Produktion inhaltlich wie handwerklich hochwertiger Serien einem funktionierenden System regionaler wie überregionaler Förderungen und nicht zuletzt der Beteiligung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Die internationalen Erfolge der belgischen Serienschaffenden gehen nicht zu Lasten regionaler Inhalte. 2001 griff die vom WDR übernommene Serie »Dunkle Wasser« in verfremdeter Form die Affäre um den Sexualstraftäter Marc Dutroux auf, deren Hintergründe bis heute nicht vollends geklärt sind. Während der Ermittlungen kam es zu unerhörten Pannen, 27 Zeugen und Ermittler starben unter fragwürdigen Umständen.
Misstrauen und Ängste durchdrangen die belgische Gesellschaft, die bereits von einer Reihe brutaler Raubüberfälle in den Achtzigerjahren erschüttert worden war. Von diesen Ereignissen erzählt die 2023 entstandene Serie »1985«. Anders als in früheren fiktionalisierten Aufarbeitungen der Skandale erfährt das Publikum hier die realen Namen der Hauptbeteiligten.
Drei erfundene Charaktere führen in die Geschichte ein. Vicky studiert Jura, Marc und Franky beginnen in Brüssel eine Ausbildung bei der damals noch militärisch organisierten Polizei.
Dort trennen sich ihre Wege. Franky gerät über eine Motorradstaffel an eine Gruppe rechtsradikaler Polizisten. Naivität, Gruppendynamik und die Suche nach Anerkennung treiben ihn immer tiefer in die Szene, die Belgien mit einer Reihe von Terrorakten überzieht mit der Absicht, Ausrüstung und Privilegien der Strafverfolgungsorgane zu verbessern. Die Korruption reicht bis in höchste politische Kreise. Marc schließt sich einem der wenigen integren Kriminalermittlern an. Eine heikle Wahl. Die Rechtsterroristen schrecken vor Morden an den eigenen Kollegen nicht zurück. Vicky geht ihrem Studium nach, moderiert bei einem Piratensender, arbeitet als DJ, greift gelegentlich zu Rauschmitteln, demonstriert gegen die Erhöhung der Studiengebühren und steht dabei den uniformierten Marc und Franky gegenüber. Es bleibt nicht bei dieser einen Konfrontation. Als Anwältin wird Vicky später die Rechte einer Angeklagten vertreten.
Die Serie umfasst die Jahre 1981 bis 1986, den Beginn und die Ausweitung des Terrors, von der Öffentlichkeit zunächst als räuberische Bandenkriminalität missverstanden, ehe die politische Dimension erahnbar wird.
Alleinautor Willem Wallyn verwebt unterschiedliche Motive zu einer stringenten Handlung, gibt dem Privaten wie Frankys unterdrückter Homosexualität Raum, wo es zum Geschehen beiträgt. Die Einbeziehung der Presseberichterstattung macht deutlich, wie der Schrecken ein ganzes Land erfasste. Spannung entsteht aus dieser permanenten Bedrohung, filmästhetisch gestützt vermittels gelegentlicher Diskontinuitäten durch kurze Vor- und Rückgriffe.
OmeU-Trailer
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