Kritik zu Ecce Homo – Der verlorene Caravaggio

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Kunstvoller Doku-Thriller um die Entdeckung und den Verkauf eines über Jahrhunderte unbeachteten Werks des italienischen Malers

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Caravaggio gilt als Meister der Hell­dunkelmalerei. Seine Werke sind voller strahlender Farben und tiefer Finsternis, sie bergen etwas Unergründliches, bieten der Imagination viel Raum. Auch als Mensch war er voller Geheimnisse und Widersprüche: Er stieg als mittelloser Künstler zum bevorzugten Maler der römischen Kardinäle auf, tötete einen Menschen, wurde verbannt, geriet immer wieder in Konflikt mit den Gesetzen und starb schließlich 1610 mit nur 38 Jahren. Gerade einmal 60 Gemälde hat er geschaffen – oder sind von ihm noch erhalten. Umso begehrter und wertvoller sind sie bis heute. 

Im Jahr 2021 tauchte eines davon auf, das jahrhundertelang nicht als solches identifiziert wurde. Für nur 1500 Euro wollte es die spanische Familie Pérez des Castro verkaufen. Doch dann wurden Kunsthändler, -sammler und -historiker auf das Bild mit dem gefolterten Christus und dem römischen Statthalter Pontius Pilatus sowie einem Soldaten aufmerksam – und der spanische Regisseur Álvaro Longoria. Drei Jahre begleitete er seinen Freund, den Madrider Kunsthändler Jorge Coll, sprach mit Kritikern, Journalisten, der Besitzerfamilie und Historikern, bis Ecce Homo schließlich 2024 im Prado hing. Daraus schuf er einen ungewöhnlichen Doku-Thriller, der mit allen Facetten von Caravaggio und des Kunstbetriebes spielt.

Wie eine Jagd inszeniert Longoria die Suche zunächst nach der Wahrheit über das Gemälde, später nach einem Käufer. Er ist ganz nah dabei, wenn sich Jorge Coll mit seinen Kollegen Filippo Benappi und An­drea Lullo berät, sie eine Strategie entwickeln, um das weltweite Interesse an Caravaggio hochzuhalten. Er lässt sie von den Regeln, der Psychologie des Kunsthandels erzählen, folgt ihnen rastlos nach London, nach Rom, Neapel und natürlich immer wieder nach Madrid, in Galerien, Auktionshäuser, in Museen, Bibliotheken und Restaurationswerkstätten. Als Hyänen und Wölfe sprechen Coll, Benappi und Lullo von den vielen Interessenten und Begehrlichkeiten. Wie von einer unsichtbaren Macht angetrieben, agieren sie – kämpfen mit Sammlern, der Familie und schließlich der Einstufung des Gemäldes als Kulturgut, die einen Verkauf außer Landes verbietet.

Wie nebenbei lässt Álvaro Longoria Kunsthistoriker von der Bedeutung des frühbarocken Malers erzählen, dem sie »Rockstarqualitäten« attestieren. Er blickt hinter sonst verschlossene Türen, lässt exzentrische Sammler vor imposanter, lichtdurchfluteter Mittelmeerkulisse zu Wort kommen, um dann wieder in dunklen Hinterzimmern Arbeiten an Ecce Homo zu dokumentieren. All das peitscht er mit oftmals dramatischer Musik und dann wieder mit Klängen voller Leichtigkeit an, das den 78 Minuten eine ungewöhnliche Dramatik nach bester James-Bond-Manier verleiht.

Kunstvoll ist diese Doku und spannend, nicht nur für Kunstliebhaber. Am Ende ist da viel Erkenntnis – und ebenso viel Geheimnisvolles. Wer Ecce Homo am Ende gekauft hat, zu welchem Preis und wie hoch die Provisionen für Coll, Benappi und Lullo waren, bleibt im Verborgenen.

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