Kritik zu Wet Sand

© Salzgeber

In ihrem zweiten Spielfilm entwirft Elene Naveriani das Drama eines georgischen Dorfes und widmet sich damit auch persönlich motiviert der in ihrer Heimat grassierenden Homophobie

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Gleichmäßig schlagen die Wellen des Schwarzen Meeres auf den Sand, der Himmel ist frei von Wolken, und doch liegt eine unausgesprochene Düsternis über dem kleinen georgischen Dorf, in dem der zweite Film von Elene Naveriani spielt. Denn der alte Eliko ist in seinem Haus tot aufgefunden worden. Ob er hingerichtet wurde oder sich selbst erhängt hat, ist nicht eindeutig zu bestimmen, wohl aber die Unruhe, die sein Tod in das Dorf bringt. Vor allem der schweigsame Amnon, der eine kleine Bar am Strand betreibt, ist in tiefer Trauer gefangen. Um die Beerdigung in die Wege zu leiten, reist Elikos Enkelin Moe aus Tiflis an. Auch sie hat viele Fragen, auf die sie keine Antworten findet. Außer der jungen Fleshka, mit der sie sich rasch anfreundet, will niemand wirklich mit ihr reden. Denn hinter dem tragischen Selbstmord steht eine ganz einfache Liebesgeschichte, die im gegenwärtigen Georgien allerdings nicht sein darf. Amnon und Eliko waren seit Jahren ein heimliches Paar. Und erst als Amnon sein Schweigen bricht, entsteht die Möglichkeit, eine uralte Homophobie zu überwinden. 

Elene Naveriani, 1985 in Tiflis geboren, hat ursprünglich dort Malerei studiert, bevor sie zum Filmstudium an die Hochschule HEAD (Haute École d'Art et de Design) in Genf wechselte. Man sieht ihrem Film an, dass sie sich auf Bilder versteht, auf Tableaus wie gemalt. In langen ruhigen Einstellungen lässt sie Stimmungen sprechen und verzichtet immer wieder auf erklärende Worte. So entwickelt sich die Atmosphäre im Uneindeutigen, das Thema allerdings, die feindliche Haltung Homosexuellen gegenüber, wird dadurch weder verschleiert noch im Vagen belassen. 2017 entstand ihr erster Spielfilm »I am Truly a Drop of Sun on Earth« über eine illegale Sexarbeiterin, er wurde auf mehreren Festivals ausgezeichnet. Auch hier erzählt sie eine Geschichte von Menschen, die aufgrund ihres Sexualverhaltens von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Elene Naveriani bezeichnet sich selbst als sexuell nonbinär und versucht, sowohl gegen kirchliche als auch politische Repression von gueeren Menschen anzugehen. »Politisch richtet sich Georgien in jeder Hinsicht nach den Entscheidungen Russlands«, sagte sie in einem Interview, »so auch in LGBT-Fragen. Das kleine Land ist der Wucht des Kolonialismus, des Einflusses, der wirtschaftlichen Macht Russlands nicht gewachsen.« Das Buch zu »Wet Sand« hat sie zusammen mit ihrem Bruder geschrieben, was diesem Film, so sagt sie, eine ganz eigene Struktur verliehen habe. 

Schon beim Casting in Georgien aber gab es große Probleme, namhafte Schauspieler zu finden, die bereit gewesen wären, eine schwule Rolle zu übernehmen. Das allein zeigt, wie wichtig dieses Thema in weiten Teilen der Welt immer noch ist. Nicht nur in Georgien, aber gerade auch dort, so sagt Elene Naveriani, »hindert die patriarchalische, heteronormative Kultur die Gesellschaft daran, sich fortzuentwickeln, propagiert die Pseudoidentität und vernichtet die Vielfalt.« Dem will sie leidenschaftlich und kritisch mit ihren Filmen entgegentreten. 

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