Kritik zu Verfehlung

© Camino

Missbrauch in der katholischen Kirche – ein heikles Thema. Der junge Filmemacher Gerd Schneider widmet sich ihm mit einem klugen, analytischen Blick

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Wenn der Film seine Figuren das erste Mal zeigt, verrät er wenig über deren Profession. Die drei nicht mehr ganz so jungen Männer spielen Fußball, stehen am Tresen einer Kneipe und trinken. Sie kennen sich, das merkt man, seit längerem, sind Freunde. Nur einer, Oliver (Jan Messutat), verrät durch sein Kollar, dass die drei Priester sind. Sie gehören einer Generation an, die, wie Oliver sagt, etwas bewegen will. Oliver arbeitet in der Bistumsverwaltung, hat Karriere gemacht. Jakob (Sebastian Blomberg) und Dominik (Kai Schumann) haben sich für soziale Arbeit entschieden, Jakob arbeitet als Gefängnisseelsorger, Dominik leitetet eine Gemeinde in einem sozialen ­Problemviertel und ist für sein Engagement bei Jugendlichen bekannt. Die beiden stehen sich nah.

Als die beiden eine gemeinsame Messe feiern wollen, holen zwei Polizisten Dominik ab. Er soll einen Jungen missbraucht haben, lautet die Anzeige, die die Mutter gestellt hat. Lange lässt der Film den Zuschauer im Unklaren, ob Dominik sich wirklich schuldig gemacht hat. Während Oliver an falsche Anschuldigungen glaubt, versucht Jakob, an die Mutter Vera heranzukommen: In ihm wächst der Zweifel, ob Dominik es nicht doch getan haben könnte. Als Dominik schließlich gesteht, schweigt auch Jakob. Erst einmal. Es ist ein sozusagen innerkirchlicher Blick, den der junge Regisseur Gerd Schneider auf einen Priester als Täter wirft. Das soll nicht heißen, dass er das ausblendet, was Dominik angerichtet hat. Jakob erfährt von einem zweiten Jungen, mit kroatischem Hintergrund, der ebenfalls stark traumatisiert ist. Aber Schneiders Thema ist nicht, wie die Opfer mit dem Missbrauch umgehen, sondern die katholische Kirche und ihre Strukturen.

Schneider, der selbst einmal katholische Theologie studierte und kurz vor dem Priesteramt stand, führt anhand von Oliver und Jakob die zwei grundsätzlichen Wege vor. Oliver, der den Missbrauch ja nicht leugnet, fürchtet um das Ansehen »seiner« Kirche, führt ins Feld, dass da eine noch größere Welle auf die Amtskirche zukommen könnte. Und bietet den Opfern eine Entschädigung an. Schneider hat aus diesem Oliver, und das ist eine der großen Stärken des Films, keinen kalten Technokraten gemacht, man nimmt ihm ab, dass es ihm um das Wohl der Kirche geht. 

Jakob geht den schwierigeren Weg, den der Skepsis. Sebastian Blomberg gibt ihn als einen Zerrissenen. Und einen Zauderer. Schließlich ist das Vertrauen auf das eigene Gewissen nicht genuin katholisch. Es braucht lange, bis er sich entschließt, zum Bischof zu gehen. Und noch länger, bis er nach diesem ergebnislosen Gespräch einen anderen Weg wählt...

Verfehlung ist kein anprangernder Film, kein Pamphlet. Er seziert vielmehr klug ein in sich geschlossenes System mit Absolutsheitsanspruch. In ihm ist Jakob so etwas wie ein Verräter.

Meinung zum Thema

Kommentare

Wer hat etwas davon, Missbraucherpriester auf fast schon rührende Weise als nach Zuneigung dürstende emotionale Mängelwesen darzustellen? Und die Protagonisten aussehen zu lassen, wie frisch diesen Vatikan-Pirelli-Kalendern entsprungen, gemacht für Leute, die auf hübsche junge Männer stehen?
Missbrauch als etwas unbeholfene Art, seine „Liebe“ zu Kindern zu demonstrieren, weil man zu verklemmt für Sex mit Erwachsenen ist?!?! Diese verzerrte Darstellung finde ich richtig gefährlich. Auf Menschen die Einblick haben, wie die sexuelle Ausbeutung von Heranwachsenden durch Kleriker und deren systematische Vertuschung in Wirklichkeit ablaufen, muss so eine Sicht pervers wirken. Wir finden sie leider auch in den von der Kirche in Auftrag gegebenen und als seriöse Studien deklarierten Beschreibungen irgendwelcher priesterlicher Missbrauchstäter und ihrer Verbrechen. Dazu zählen die von Leygraf (Deutschland) und die John-Jay-Studie (USA).

In Wirklichkeit ist die Rate an Priestertätern, die ganz klar mit sadistisch-ritualisiertem Fokus missbrauchen erschreckend hoch. Routinierte Kinderquäler. Allein die Schilderungen der Kirchenopfer, die sich bisher in Deutschland an die Öffentlichkeit wagten, legen diesen Schluss nahe.
Und wenn man sie mit den Berichten von Opfern aus anderen Ländern vergleicht und feststellt, dass die Abläufe und Bedingungen sich auf frappierende Weise ähneln, dann springt einen die Vermutung, dass diese Menschen offenbar eine regelrechte Ausbildung zum Täter erhalten geradezu an. Wo, wann und durch wen auch immer.

Die KirchenvertreterInnen, darunter auch einige, die nicht müde werden, sich als selbstlose Aufklärer zu generieren haben es fast geschafft, den Opfern und den Medien die Kontrolle über die Berichterstattung wieder abzujagen. Mit dem Ziel, das Image der Kirche nach dem Missbrauchstsunami zu verbessern.

Dabei handelt es sich beim Tatort Katholische Kirche um systematische, multimodale Kriminalität. Auch um Wirtschaftsverbrechen, die häufig mit sexueller Ausbeutung einher gehen. Täter pflegen ihre Tatorte. Wer missbraucht, hinterzieht auch Geld. Lügt, betrügt, spioniert. Für eine Organisation, die es mit staatlichem Recht und Gesetz und allgemeinen moralischen Grundsätzen nicht so genau nimmt, weil sie glaubt, bessere Maßstäbe zu haben, können das wertvolle Mitarbeiter sein.
So etwas kann und darf unsere Gesellschaft aber nicht dulden. Eine unabhängige Untersuchung gerade der in kirchlichen, aber auch weltlichen Institutionen begangenen Missbrauchsverbrechen muss sein.

Wie sagte Patrick Wall, ehemaliger Benediktiner im Dienste der großen Vertuscher, jetzt Opferaktivist und Familienvater so treffend und wohl nicht ohne Grund in einem Interview des Tagesspiegel: „Ich habe an gut 1000 Fällen von sexuellem Missbrauch mitgearbeitet. Nach dem, was ich da erfahren habe, darf mein Kind nicht mal in die Nähe einer katholischen Kirche kommen.“

Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

Die Kirche, eine Institution, die seitens der Medien als reich, unabhängig, selbständig, selbstregelnd und verherrlichend dargestellt wird, bietet eine sehr große Angriffsfläche (unabhängig von der Glaubensrichtung). Und doch ist es stets die katholische Kirche, die im Zusammenhang mit Missbrauch an Kinder steht. Ist das Zölibat schuld ? Wie kann man stets Liebe predigen und die körperliche ausschließen ? Ich glaube nicht, dass ein Priester Gefühle, wie Lust, Begehren, Zuneigung total ausschalten kann. Gefühle, die jeder Mensch in sich trägt, kann man nicht ewig in sich verschließen. Das Zölibat verbietet, diese Gefühle erleben zu dürfen und alleine dieses Verbot weckt Interesse, Neugier. Versteckt und dem Gesetz zum Trotz geschieht das, was jeder gesetzlosen Tat (Missbrauch, Mord, Diebstahl...) folgt: Ursachenforschung. Und was kommt oft "nur" dabei heraus ? .... ein negatives Krankheitsbild (wie z.B. Alkohol- oder Drogenabhängigkeit), unglückliche Kindheit, Armut, Hass, Wut oder gar Unbedachtheit, Übermut). Ursachenforschung in der kath. Kirche gibt es nicht, und wenn, dann ist es schon viele hundert Jahre zu spät dazu.

Über Missbrauch will ich nicht schreiben. Da ist schon alles gesagt.
Der Regisseur hat gesagt, dass er sieben Jahre gebraucht hat um den Film zu drehen. Viel Zeit zu recherchieren. Und doch sind Fehler unterlaufen; künstlerische Freiheit hin oder her;
- wo findet man in Deutschland Kirchenmänner, die so angezogen rumlaufen? Alle Priester, die ich gesehen habe tragen "zivil".
- Das Drama spielt sich nach 2005 ab. Wieso gibt es in der Sakristei an der Wand Foto von Johannes Paul II und nicht Benedikt XVI. Das ist wie mit der Bundespräsidenten in den Botschaften.
Und dann die Stereotypen;
Der kroatische Vater ertrinkt seine Verzweiflung im Vodka. Na ja er ist doch ein Ost-Europäer , die sind so. Und die alleinerziehende Mutter, verkauft Brötchen, aber spricht so tiefsinnig als hätte sie in Germanistik promoviert. Die Gerechten sind die Schwerverbrecher, die den Schuldigen gerecht verprügeln, der Staat tut nichts und die Kirche das ist Mafia. Habe ich was vergessen. A ja der dritte Freund ist ein Zyniker, weil in der Kindheit vom Vater regelmäßig verprügelt

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