Kritik zu Survival of the Dead

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Er hat es wieder getan: George A. Romero hat wieder einen Zombiefilm gedreht – Erwartungen erfüllt, und er hat ihm wieder einen völlig neuen Dreh gegeben – Erwartungen düpiert

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Unter den Aficionados des Subgenres und sogar unter Romero-Fans hat der sechste Film in seiner Serie des modernen Untotenbildes jedenfalls wahrhaft keine Begeisterung ausgelöst; beim Filmfestival von Venedig bekam er auch nicht eben den Status eines Geheimtipps. Es gibt längst härtere, komischere, genauere, kunstvollere und ekligere Zombiefilme als die des »Meisters«. Und trotzdem ist »Survival of the Dead« viel interessanter als der bloße Genreblick das offenbart.

Der sechste Zombiefilm von Romero ist zwar einerseits eine direkte Fortsetzung des vorigen (»Diary of the Dead«, der in einer Art Post-»Blair Witch«-Doku-Stil von einer Gruppe von Filmstudenten bei einer Fahrt durchs Zombieland erzählte): Einmal, in einer hübschen kleinen Plotvolte, »begegnen« sich die beiden Filme sogar und lassen uns Zusammenhang wie Differenz erkennen. Aber zur gleichen Zeit nimmt er auch eine ganz andere Perspektive ein, hat eine ganz andere Erzählhaltung und eine andere Stimmung. Nun wird nicht mit dem Tunnelblick der Handkamera und des billigen Videoequipments erzählt, der Blick schweift stattdessen panoramahaft in der Horizontalen. Noch ehe das auch in der Story klar wird, wissen wir, dass auf dem Grund von »Survival of the Dead« der untote Western liegt.

Hauptschauplatz ist nun eine Insel vor der Küste von Delaware, hierher flüchtet sich die übliche kleine Gruppe der Soldaten unter der Führung von »Sarge« (Alan Van Sprang) und bringt dabei eine andere Geschichte durcheinander. Am Hafen müssen sie sich erst einmal ein Gefecht mit dem Fischer Patrick O’Flynn (Kenneth Welsh) liefern, von dem sie schließlich über die wahren Verhältnisse auf der Insel aufgeklärt werden. Nachdem ihnen nämlich ein Junge von der Insel erzählt hat, die angeblich noch zombiefrei sei, haben sie tatsächlich geglaubt, einen friedvollen Rest des gelobten Landes erreichen zu können. Aber da ist kein Frieden, war er nie. Auf dieser Insel nämlich leben zwei Familien, seit Jahr und Tag miteinander verfeindet, die O’Flynns und die Muldoons, Fischer und Farmer, die die Insel unter sich aufgeteilt haben in gespannter Balance.

Kein Wunder, dass sie sich auch, was die Behandlung der Untoten anbelangt, keineswegs einig waren. Mit dem Ausbruch der Zombieseuche zerbrach auch das prekäre Gleichgewicht auf der Insel; der alte Streit bekam neue Nahrung durch die Frage, wie mit den Untoten umzugehen sei. Die O’Flynns machen intensiv Jagd auf sie, um die Insel zu säubern; der alte Muldoon (Richard Fitzpatrick) aber hält sie, patriarchaler Farmer, der er ist, wie Vieh, und schafft es sogar, die untoten Angehörigen mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen im Haus zu behalten. Welche von beiden Arten die menschlichere beziehungsweise unmenschlichere sei? Das ist so eine der Fragen aus Romero-Filmen.

Drei Gruppen miteinander und gegeneinander auf einer von Zombies verseuchten Insel, das wäre für ein tightes B-Movie eine vollkommen ausreichende Grundkonstellation. Aber jetzt beginnt Romero erst, seinen mythologischen Baukasten auszuleeren. Er lässt sich die Zeit, in diesen drei Gruppen ziemlich genau die wesentlichen Elemente der politischökonomischen Herrschaft in seinem Land zu charakterisieren: Die reichen texanischen Clans, die mit einem Teil ihres Wesens immer noch in den Pioniertagen leben und für die Familie und Religion alles ist (genug jedenfalls, um ein Zusammenleben mit den Zombies zu erzwingen, denn Familienmitglieder erschießt man nicht); das Militär, das zwar demokratisch und integrierend wirkt (was Geschlecht, Klasse und Rasse anbelangt), aber zwanghaft seine eigenen Psychosen hervorbringt und immer wieder zu der Gefahr wird, vor der es eigentlich beschützen sollte; und schließlich die O’Flynns, die es eher mit Anpassung und kapitalistischem Pragmatismus halten und dabei einigermaßen bedenkenlos über echte Leichen und Untote gehen. Drei Perversionen des amerikanischen Traumes, wenn man so will.

Vermutlich könnte man das Ganze auch als eine Variante von Republikanern und Demokraten, Norden und Süden, urbanem und ruralem Amerika, Liberalismus und Bigotterie, kurz als die endlose Gespaltenheit dieser Gesellschaft beschreiben. Die Soldaten glauben eine Zeit lang, Herr dieser Situation zu sein, aber sie merken schnell, dass sie benutzt werden; sie bringen, statt sie zu beenden, die alte Fehde erst richtig wieder in Schwung, bis zu einem Ende, das nach Plot-Regeln ein bisschen overdone erscheinen mag, politisch-moralisch aber ganz einfach realistisch ist (sehen wir uns das destruktive Patt im Ringen um Obamas Gesundheitsreform an). Die verschworenen Tatmenschen (die wir im vorigen Film als miesen kleinen Trupp einer nur noch an der Selbsterhaltung interessierten Soldateska kennen gelernt haben) werden nun zu unserem Stellvertreter beim Blick auf den amerikanischen Bruderzwist. Skepsis ist angebracht.

Romero, der sonst eher skizzenhaft »zeichnet «, versucht in diesem Film, mehr malerisch zu arbeiten. Seine Bilder sind schöner als gewohnt, und manchmal hat man den Eindruck, die Gore- und Metzelszenen habe der Regisseur hier nur noch eingefügt, weil er meint, dies seinen Fans schuldig zu sein. Das vielleicht ist das Problem dieses Filmes: Zombiefilme funktionieren vor allem, weil und wie sie von jungen Leuten mit einer Mischung aus Zorn, Humor und schlechtem Geschmack gedreht werden. Vielleicht sollten melancholische ältere Herren mit einer klammheimlichen Sehnsucht nach Mythos und Schönheit einfach keine Zombiefilme mehr drehen.

Es hätte eine Art Western mit Zombies werden können, in dem wiederum eine Art Romeo-und-Julia-Stoff steckt, und noch eine Clan- und Ziehsohngeschichte, komplett mit Showdown und tragischem Ende der Gründerväter. Ebenso gut hätte es die Geschichte eines reitenden weiblichen Zombies und ihrer Zwillingsschwester werden können, eine Geschichte über eine schreckliche Verbundenheit über die Grenze des Untoten. Überdies gibt es die kanonische Frage: Kann man die kannibalistische Gier von Zombies auf Pferdefleisch umpolen? Und dann natürlich gibt es noch die Romero-typische Geschichte der kleinen Gruppe von Menschen inmitten der Zombie-Apokalypse, in der Gutes und Schlechtes zum Selbstausdruck gezwungen werden. Daneben bekommen wir autarke Bilder wie die vom Postboten-Zombie an der Kette, der immer und immer wieder seinen Brief in den Briefkasten wirft. Romero, könnte man auf den ersten Blick sagen, ist bei diesem Projekt einfach zu viel eingefallen, und er hat sich nichts daraus gemacht, alle Einfälle einer kritischen Revision zu unterziehen. Außerdem gibt es in diesem Film auch keine Figur, die für sich stark und interessant oder wenigstens sympathisch genug wäre, damit wir durch sie alle Brüche, Übercodierungen und Lücken verzeihen würden.

Der Film wird überall da ein bisschen allzu bizarr (und für den einen oder die andere unfreiwillig komisch), wo er mit Gewalt seine Geschichten zusammenbringen will und dabei die B-Film-Tricks der Narration kräftig übertreibt. Aber in Wirklichkeit geht es hier ja gar nicht um Plot-Twists oder die üblichen Endpointen. Romero sucht in seiner Zombiewelt nach ganz anderen Dingen, nach Mythen- und Heimatresten, nach den Ursprüngen der Nation und nach denen der Katastrophe. Ein Zombiefilm für Nachdenkliche. Das ist entweder extrem bescheuert oder ganz schön genial. Kommt halt auf die Perspektive an.

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