Kritik zu Mein wunderbares West-Berlin

© Salzgeber

2017
Original-Titel: 
Mein wunderbares West-Berlin
Filmstart in Deutschland: 
29.06.2017
L: 
95 Min
FSK: 
16

Jochen Hick, laut Deutschlandfunk der »Chronist vergessener schwuler Geschichte«, widmet sich in einem ebenso lehrreichen wie autobiografisch angehauchten ­dokumentarischen Multi-Porträt dem schwulen West-Berlin der Post-68er-Jahre

Bewertung: 3
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Seit nun über zwanzig Jahren begleitet und dokumentiert Jochen Hick mit seinen Arbeiten unterschiedliche Aspekte homosexuellen Lebens in Deutschland und den USA. Dabei hat er sich von Kalifornien in die west- und ostdeutsche Provinz vorgearbeitet und zuletzt den dissidenten Stasi-Verfolgten und Mauerflüchtling Mario Röllig in einem sympathetischen Porträt (»Der Ost-Komplex«) vorgestellt. Nun ist Hick in der eigenen Geschichte angekommen: Im West-Berlin der sechziger bis achtziger Jahre, dessen lebendige schwule Subkultur den in Hessen geborenen Hamburger Kunststudenten erst auf langen Ausflügen und irgendwann auch dauerhaft an sich zog.

Seine filmische Reise beginnt Hick etwas früher,  zu einer Zeit, als Razzien in den einschlägigen, in Reiseführern blumig umschriebenen Etablissements noch an der Tagesordnung waren und viele der aus der Provinz hereingeschneiten Jungs auf der Suche nicht nach freier Liebe, sondern einem »festen Herrn«.

Doch die entscheidenden und oft wilden Jahre individueller und gesellschaftlicher Emanzipation standen vor der Tür und viele Chancen offen: Viele der von Hick für seinen Film befragten damaligen Akteure jedenfalls sind ziemlich weit oben angekommen und jetzt kurz davor oder schon dabei, sich wohlverdient aus einem produktiven beruflichen Leben zu verabschieden: Wolfgang Theis etwa, der Mitgründer und langjährige Leiter des Schwulen Museums. Der Couturier Klaus Schumann. Panorama-Leiter Wieland Speck. Der Filmemacher Rosa von Praunheim. Dazu kommen prominente Ikonen schwulen Berliner Lebens vor wie René Koch, Udo Walz und Romy Haag.

Thematisch und zeitlich zieht der Film einen Bogen von der Homosexuellen Aktion Westberlin HAW bis zum Aids-Schock der 80er mit einem kleinen Schlussschwenk ins Post-9/11-Jetzt. Und ist dabei vielleicht ein bisschen zu rund, aber auch so prall gefüllt mit sehenswertem Originalmaterial, dass man ihn schon jetzt zu einem – übrigens auch durchaus schuldiensttauglichen – Standardwerk ernennen mag.

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