Kritik zu Jackie – Wer braucht schon eine Mutter?

© Schwarzweiss Filmverleih

»Mit ganz viel Papa« (zwei schwulen Vätern) sind die holländischen Zwillinge Sofie und Daan aufgewachsen. Nach 30 Jahren kommt ein Hilfeanruf aus Amerika von ihrer Leihmutter Jackie, die sie noch nie gesehen haben

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Dass Holly Hunter perfekt mit dem Schießeisen umgehen kann, hat man zur Genüge gehört und gesehen. Mit Krücken hantiert es sich allerdings anders. Bei der kleinen Person, die da in der Ferne – wie durchs Fernglas beobachtet – wild um sich schlägt, als kämpfe sie um ihr Leben, scheint es sich um Holly Hunter zu handeln. Aber noch wissen wir nicht, was es mit dieser skurrilen Erscheinung auf sich hat. Der Film hält damit nicht allzu lange hinterm Berg. Irgendwo in Holland landet ein überraschender Anruf aus Amerika, und dieser Hilferuf der bisher unbekannten Leihmutter hinterlässt so viel Eindruck, dass die wohlgeratenen Töchter Sofie und Daan (Carice und Jelka van Houten), mittlerweile 33 Jahre alt, die bei einem schwulen Adoptivelternpaar aufgewachsen sind, sich alsbald auf den Weg machen. Jetzt wollen sie ihre »Gebär-Mutter« namens Jackie endlich kennenlernen. Geplant ist, die unbekannte Frau in Augenschein zu nehmen, schnellstens in die Rehaklinik nach New Mexico zu verbringen und wieder kehrtzumachen. Aber es kommt natürlich ganz anders. Es ist der Beginn eines Roadmovies durch die Wüste von New Mexiko.

Jackie (Holly Hunter) residiert wie eine Bettlerkönigin in ihrem etwas verwahrlosten Reich, genauer gesagt in einem schrottreifen Wohnmobil. Weil ihr das Fliegen untersagt ist, wird die resolute kleine Person mit der wallenden Hippiefrisur und der gebieterischen Stimme samt fahrbarem Untersatz zum Lenker der Geschicke. Fortan sitzen die drei also in einem Boot respektive Wagen und sind allein auf die Fahrkünste von Sofie angewiesen. Es wird kolportiert, dass Hunters Rolle eigentlich für Bill Murray geschrieben worden sei – aber dann wäre es ja eine ganz andere Geschichte. Es scheint eher so, dass man sich aus heutiger Wohlstandsperspektive und mit einem überfrachteten Mutterbild eine solche Rabenmutter wie diese Jackie nur schwer vorstellen kann. Wer hingegen Holly Hunters Filmographie studiert, ahnt, wie viel Kraft – Spiel, gepaart mit innerer Überzeugungskraft – und wie viel Verrücktheit in dieser Schauspielerin stecken. Die Zwillinge spielt sie jedenfalls glatt an die Wand.

Trotzdem überzeugt die Besetzung, denn Carice und Jelka van Houten können auf ihren Bonus pochen, echte Zwillinge zu sein. Und sie sind trotzdem ein Gegensatzpaar par excellence – in Wesen und Erscheinung. Darüberhinaus scheint die holländische Regisseurin Antoinette Beumer, die sich zu Hause durch diverse TV-Serien einen Namen gemacht hat, wenig Gedanken an die Bilddramaturgie und Schauspielerführung verschwendet zu haben. Dem weitgehend gelungenen Feelgoodmovie hätte es jedenfalls nicht geschadet, wenn die Probleme der Schwestern – Sofies Karriereversessenheit einer Redakteurin und Daans Hadern mit dem Schwangerwerden – mit ein bisschen mehr Tiefgang ausgestattet worden wären.

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